05.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Aus den Tiefen
der Prozessoren

Fritz führt gegen Schachweltmeister

Von Curd Paetzke
Bonn (WB). Im Duell Mensch gegen Maschine steht der homo sapiens vor einem elektronischen KO. Das Computerprogramm »Deep Fritz« führt gegen Schachweltmeister Wladimir Kramnik vor der letzten Partie heute in Bonn (15 Uhr) mit 3:2.

Nur durch einen Sieg gegen das Rechenmonster, das in einer Sekunde bis zu zehn Millionen Stellungen auf dem Schachbrett analysiert, kann der 31-jährige Russe noch ein Remis in der Gesamtwertung erreichen. Großmeister Artur Jussupov ist von der Spielstärke der Software überrascht: »Fritz macht einfach keine Fehler - wie soll man gegen ihn überhaupt noch gewinnen?« Sein Kollege Helmut Pfleger pflichtet ihm bei: »Auch nach drei oder mehr Stunden, wenn der Mensch beginnt, müde zu werden, ist Fritz noch so frisch wie beim ersten Zug und nutzt die kleinste Schwäche seines Gegners geradezu brutal aus.«
Die fünfte Partie am Sonntag, die nach 35 Zügen Unentschieden endete, bot hochkarätiges Schach. Nach einem munteren Figurentausch befanden sich Mensch und Maschine bereits nach 30 Minuten in einem frühen Endspiel. Fritz vertraute dabei auf seinen starken Springer, Wladimir Kramnik hatte seinen Läufer geschickt in Position gebracht. Einen daraus resultierenden Mattangriff des Weltmeisters wehrte der Rechner taktisch klug ab und zauberte aus den Tiefen der Prozessoren seinerseits eine überaus bedrohliche Stellung aufs Brett. Schließlich forcierte Fritz ein Remis durch Stellungswiederholung.
»Weiß« der Rechner etwa, dass er vorne liegt, dass ihm ein Remis in Partie 6 genügt? Eine Frage, die auch die Programmierer nicht mit letzter Sicherheit beantworten können. Computerschach-Experte Frederic Friedel: »Es mag sich sonderbar anhören, aber Fritz spielt von seinem taktischen Verständnis her menschlich. Vielleicht freut er sich sogar...«
Das Medieninteresse an dem ungewöhnlichen Wettkampf der Denksportler ist gewaltig: 164 Journalisten aus aller Welt haben sich akkreditieren lassen und verfolgen die »Schlacht um die Ehre der Menschheit« in der Bonner Kunsthalle.
Fritz-Programmierer Mathias Feist (»Chessbase«), der die Züge des Computers bedient und Wladimir Kramnik bei den Begegnungen direkt gegenüber sitzt, zieht den Hut vor dem Weltmeister aus Fleisch und Blut: »Der Druck auf ihn ist gerade vor der entscheidenden Partie sicherlich sehr groß. Aber wenn er nervös sein sollte, dann sieht man ihm das zumindest nicht an.«
Das hat er mit Fritz gemeinsam.

Artikel vom 05.12.2006