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Gang bedroht Jungen mit Waffengewalt

Zwei Übergriffe von Jugendlichen

Von Annemarie Bluhm-Weinhold
Steinhagen (WB). Eine Nacht der Gewalt - jugendlicher Gewalt: Zweimal innerhalb von nur gut zwei Stunden rückte die Polizei am vergangenen Freitagabend deshalb nach Steinhagen aus. Das erste Mal waren zwei Jungen am Austmannshof von einer Gang angegriffen worden. Später war eine Massenschlägerei Jugendlicher am Busbahnhof gemeldet worden.

Eine abgebrochene Dachlatte, ein Kunststoffrohr, eine kleine Eisenstange mit einer Kette: Selbstgebaute Schlaginstrumente waren beim Übergriff auf die beiden 16-Jährigen im Spiel. Gegen 20.15 Uhr waren sieben oder acht Kinder und Jugendliche auf die beiden Teenager losgegangen, die an der Kita Kapernaum am Austmannshof Musik hörten. Die »Bande« schlug auf die zwei Jungen ein. Einen soll sie sogar mit einer Pistole, einer täuschend echt aussehenden sogenannten Soft-Air-Pistole zum Verschießen von Farbkugeln, bedroht haben. Diese Waffe wurde später nicht gefunden, wohl aber stellte die Polizei die selbstgebastelten Waffen in einer Einkaufstüte sicher.
Nachbarn im angrenzenden Wohngebiet Esch hatten den Angriff mitbekommen und die Polizei alarmiert. Zwei flüchtende Jugendliche der Gruppe, 13 und 15 Jahre alt, waren, als sie die Egbertstraße hinunter rannten, von Anwohnern gestoppt und bis zum Eintreffen des Streifenwagens festgehalten worden. Beide seien, so schilderte ein Nachbar im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT, vermummt gewesen: »Richtig mit Strickmützen mit Sehschlitzen.«
Die Polizisten vor Ort nahmen die Personalien auf und lieferten die beiden Jugendlichen zu Hause ab. In Halle hat Kriminaloberkommissar Volker Johanning die Ermittlungen aufgenommen. Die Vernehmungen dauern in den nächsten Tagen noch an. Angesichts der aufgefundenen Waffen: Offenbar hat die Jugend-Gang, deren Mitglieder unterschiedlichen Alters, aber alle in Deutschland geboren sind, die Tat bewusst begangen. Als problematisch und eigenartig bezeichnet Volker Johanning im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT deshalb den Angriff auch: »Wir haben noch keinen Hinweis auf den Anlass. Aber ein solcher Akt der Gewalt hat einen Hintergrund und entwickelt sich nicht aus einer Laune heraus.«
Zu einer Auseinandersetzung ganz anderen Ausmaßes kam es spätabends am Busbahnhof. Gegen 22.30 Uhr war der Polizei eine Massenschlägerei mit rund 50 Beteiligten gemeldet worden. Als der erste von drei Streifenwagen eintraf, war allerdings von einer Schlägerei nichts mehr zu sehen und die Zahl der Beteiligten mit 20 bis 30 erheblich geringer. Ein 16-Jähriger, der erheblich unter Alkoholeinfluss stand, versuchte zu fliehen, konnte von den Polizisten aber noch eingeholt werden. Er habe extrem Widerstand geleistet, berichtete Pressesprecher Karl-Heinz Stehrenberg. Er habe getreten, gespuckt und um sich geschlagen. Ein 18-jähriges Mädchen versuchte ihm beizuspringen und beleidigte und bespuckte die Ordnungshüter ebenfalls. Beide Jugendlichen wurden mitgenommen zur Wache in Halle.
Ein »Zeichen unserer Gesellschaft«, nannte Karl-Heinz Stehrenberg diese extremen gewaltsamen Auswüchse von Freitagabend. Alltäglich seien sie zwar nicht: »Eine solche Gewalt ist aber auch längst kein Phänomen mehr, das es nur in Großstädten gibt.« Perspektivlosigkeit der Jugendlichen, fehlende Integration - auch fehlender Integrationswillen - nennt Stehrenberg als Gründe.

Artikel vom 05.12.2006