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Mit seinem Erzähltalent brachte Wladimir Kaminer das Publikum immer wieder zum Lachen.

Meerschweinchen
sterben Rockstar-Tod

Wladimir Kaminer im Ringlokschuppen

Von Hanne Biermann (Text und Foto)
Bielefeld (WB). Der gebürtige Russe Wladimir Kaminer wirft in seinen Büchern einen neuen und äußerst humorvollen Blick auf die deutsche Lebensart - besonders auf das Leben in Berlin. Am Freitag kamen die Besucher seines Tourprogramms »Neues von Herrn Kaminer« im nahezu ausverkauften Ringlokschuppen in den Genuss seines bald erscheinenden, autobiographischen Schrebergartenromans.

»Ich dachte, die nehmen uns eh nicht«, beteuert Wladimir Kaminer, deshalb stimmte er dem Wunsch seiner Frau zu, einen eigenen Schrebergarten zu besitzen. Wenig später konnte er dann »Parzelle 118« sein eigen nennen. In dieser erlebte er so manche skurrile Geschichte, die er jetzt zu einem Buch verarbeitet hat.
Da ist beispielsweise sein Nachbar, ein Namensvetter des Literaturnobelpreisträgers und ehemaligen Waffen-SS-Mitglieds Günther Grass, der »eher bei der Stasi, aber auch sehr engagiert war«. Sein Roman, der kurz vor der Vollendung steht, befasst sich außerdem mit der typischen deutschen Ordnung: Kaminer erzählt, dass er in seiner Parzelle zu Beginn wohl jedes Schrebergartengesetz gebrochen hat, »außer der Haltung von Großvieh«, und er schlägt vor, Rhabarberessen in den Einbürgerungstest aufzunehmen, um Ausländern zu zeigen, dass das Leben in Deutschland »kein Zuckerschlecken« sei.
Mit russischem Akzent, der seiner Art zu erzählen einen äußerst sympathischen Anstrich gibt, zieht Wladimir Kaminer die Zuhörer in seinen Bann. Er sitzt dabei nicht auf dem bereitgestellten Stuhl, sondern nimmt auf dem Tisch Platz. Damit setzt er eine Idee fort, die bei seiner Lesung 2005 geboren wurde, als kein bequemer Stuhl aufzutreiben war.
Oft legt Kaminer sein Manuskript auch zur Seite und berichtet spontan von Familienerlebnissen, Podiumsdiskussionen und von Russland. Seine Heimatstadt Moskau beispielsweise gibt er als »12+, in Begleitung eines Erwachsenen« frei.
Der gelernte Toningenieur zog 1990 von Russland nach Deutschland und lebt heute mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Berlin, wo er regelmäßig auch Tanzveranstaltungen organisiert. Als er bemerkte, dass er in einer Disko las, überlegte er, unter begeistertem Jubel des Publikums, mit seiner »Russendisko« auch nach Bielefeld zu kommen.
Im Zuge des letzten Kapitels über seine Schrebergartenerlebnisse legt der Autor eine kurze Schweigeminute ein, »um der vielen Fruchtfliegen zu gedenken, die nicht mehr unter uns sind« und denen das Glück vergönnt war, in seinem Bier zu landen - aus dem er sie wieder herausgefischt hätte. Er lässt Fischstäbchen auferstehen und sagt Meerschweinchen einen den Tod eines Rockstars voraus: »Jung und unerfahren«.
Ein letztes Mal brachte er die Zuhörer mit der »2. Rede als Bürgermeisterkandidat von Berlin« zum Lachen (in der ersten schlug er vor, man solle die Hauptstadt vollends herunterwirtschaften, um dann die Aktiengesellschaft »New Berlin AG« zu gründen). Anschließend signierte Kaminer gerne Bücher und CDs.

Artikel vom 05.12.2006