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Mario M. »lebt in eigener Welt«

Verteidiger wollen Johannes B. Kerner vor Gericht verhören


Dresden (dpa). Der sechste Verhandlungstag im Prozess gegen den Peiniger von Stephanie im Dresdner Landgericht gewährte tiefe Einblicke in die Psyche des Angeklagten Mario M. »Er lebt in einer sehr eigenen Welt«, sagte eine frühere Bewährungshelferin. Mario M. hat gestanden, die damals 13-jährige Stephanie entführt, fünf Wochen in seiner Wohnung gefangen gehalten und sexuell missbraucht zu haben.
Am Morgen hatte Verteidiger Andreas Boine überraschend die Ladung des ZDF-Moderators Johannes B. Kerner beantragt. Kerner habe Stephanie in seiner Sendung am 16. September mit Verweis auf den Selbstmord des Entführers von Natascha Kampusch zur Antwort geführt, dass sie sich das auch für ihren Peiniger wünschte. »In der Sendung ist eine journalistische Grenze überschritten worden«, sagte Verteidiger Boine. Berichterstattung, die in Persönlichkeitsrechte Angeklagter eingreife, sei strafmildernd zu werten, forderte Boine: »Mein Mandant ist kein Monster und keine Bestie.«
Mario M. sei ein Einzelgänger und habe »querulantorische Züge«, berichtete die Sozialarbeiterin. Weil das Verhältnis zu Frauen gestört gewesen sei, habe er lieber mit seinen Hunden gelebt, die ein eigenes Zimmer gehabt hätten.
Gegen den Willen des Angeklagten sah sich die Strafkammer am Nachmittag Sequenzen aus den Videos seiner Taten an. Stephanie hatte vor elf Monaten keine Hoffnung mehr: »Was soll ich nur machen, Gott, helfe mir bitte, ich halte es nicht mehr aus«, schrieb Stephanie in zwei Briefen, die der Richter Tom Maciejewski verlas. Ihr Vater kämpfte mit den Tränen, die Mutter hatte das Gericht vorher verlassen. Ihr »Ich liebe Euch alle« an die Familie und ein Amen verhallten wie ein Abschied am Ende des Verhandlungstages. Am 14. Dezember soll das Urteil gesprochen werden.

Artikel vom 01.12.2006