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Für Widerstand
droht jetzt Haft

Angeklagter sieht sich prozessunfähig

Borgholzhausen (SKü). Wenn man genügend »auf dem Kerbholz« hat, dann kann Trunkenheit in Verbindung mit Körperverletzung und Widerstand gegen Polizeibeamte auch schnell zu einer längeren Haftstrafe ohne Bewährung führen. Die droht jetzt einem 37-jährigen Mann, der im vergangenen Mai eine Auseinandersetzung mit der Polizei in Pium hatte.

Es war eine bemerkenswerte Verhandlung, die da gestern vor dem Richterstuhl von Peeter-Wilhelm Pöld im Amtsgericht Halle ablief. Es begann damit, dass der Pflichtverteidiger seinen Mandanten an diesem Tag überhaupt das allererste Mal persönlich zu Gesicht bekam.
Der Hartz-IV-Empfänger, der zum Tatzeitpunkt in einer Notunterkunft in Borgholzhausen lebte, soll im betrunkenen Zustand gegen Autos getreten haben. Die alarmierte Polizei entdeckte ihn schlafend auf den Stufen eines Bistros an der Kaiserstraße. Die Beamten brachten ihn zu seiner Unterkunft in der Sundernstraße, wo er sich dann beleidigend und aggressiv verhalten haben soll. Polizisten sollen getreten worden sein. Die verfrachteten ihn schließlich ins Polizeigewahrsam nach Gütersloh, wo er abermals getreten und beleidigt und sich gegen eine Blutprobe (Alkoholgehalt 2,57 Promille) gewehrt haben soll. Gestern drückte der Angeklagte sich relativ gewählt aus, erklärte sein Verhalten mit »affektiven Gegenbewegungen«.
Doch normal ging dieser Prozess nicht weiter. Der Mann, der früher einmal der Anti-A 33-Hüttendorf-Szene angehörte, stellte entgegen des Rates des Pflichtverteidigers seine Verhandlungsfähigkeit in Zweifel. Er fühle sich mit dem Prozess überfordert und wolle ein psychologisches Gutachten zu einer möglichen Schuldunfähigkeit. Das forderte der Angeklagte aber erst, nachdem die Verhandlung bereits eine ganze Weile gelaufen war und ihm soeben seine Vorstrafen mit insgesamt acht Eintragungen sowie eklatanten Bewährungsversäumnissen vorgehalten wurden. »Sie halten sich nicht für verhandlungsfähig, aber Straftaten können sie begehen«, reagierte Richter Pöld verärgert. Gleichwohl folgte er der Forderung, legte allerdings einen anderen Gutachter fest, als ihn der Angeklagte ins Gespräch gebracht hatte.
Unter den Vorstrafen finden sich Sachbeschädigungen, fahrlässiger Vollrausch, Beleidigung und Widerstand gegen Polizeibeamte. Die letzte Verurteilung (sechs Monate auf Bewährung wegen Sachbeschädigung) stammt vom Februar 2006. Heraus kam, dass er von einer Bewährungsstrafe (180 Sozialstunden) nur etwa ein Viertel abgeleistet hat. Er begündete dies mit Inkontinenz, die ihn am Arbeiten gehindert habe. Sein Arzt hat ihn allerdings für halbe Tage wieder arbeitsfähig geschrieben, so dass er seinen Sozialstunden nachkommen könnte. Doch bei einem Bielefelder Sozialträger war der Mann nur eine Stunde im Einsatz, dann trennten sich die Wege wieder.
Richter Pöld mahnte den Mann dringlich, schnellstens ans Ableisten der Sozialstunden zu kommen. Mit einer nochmaligen Bewährungsstrafe dürfe er bei Fortsetzung des Prozesses nicht rechnen.

Artikel vom 28.11.2006