27.11.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Nächtliche Reise in die Vergangenheit

33 Teilnehmer erleben die Premiere der Nachtwächter-Stadtführung

Von Oliver Horst (Text und Fotos)
Versmold (WB). Im Schein von Kerzenlicht und kleinen Taschenlampen begaben sie sich auf eine Zeitreise durch 900 Jahre. Spätestens mit dem Hindurchschlüpfen durch die kleine Öffnung in den steinernen Turm tauchten sie endgültig ein in die Versmolder Vergangenheit. Ulla Schrewe und Helga Uhlmann begrüßten zur offiziellen Premiere ihrer Nachtwächter-Führungen am Freitagabend 33 Teilnehmer.

Mit sieben Glockenschlägen um Punkt 19 Uhr startete die Reise durch die Versmolder Stadtgeschichte am Fuße der Petri-Kirche. Schließlich beginnt die belegte Historie mit dem Gotteshaus und seinem einstigen Wehrturm, der im Laufe der Jahrhunderte immer weiter in den Himmel wuchs. Aus dem Jahr 1096 stammt die früheste Urkunde, die Versmolds Existenz nachweist. Ulla Schrewe erläuterte ihren Zuhörern die wandlungsvolle Rolle des Turms und der Kirche in den zurückliegenden 910 Jahren. Denn einst diente das Gemäuer aus Laerer Piepstein dem Schutz der Bevölkerung - vor allem vor Fremdlingen, die in böser Absicht nach Versmold kamen. Die Bürger der damaligen kleinen Siedlung rund um die Kirche konnten Schutz für sich und auch für ihr Getreide in dem Turm finden.
In gebückter Haltung durch die kleine Öffnung im Gemäuer stieg die Gruppe die steinerne, 800 Jahre alte Wendeltreppe im durch die wuchtigen Mauern schmalen Turm hinauf. Vorbei am hölzernen Uhrenkasten erklommen sie das Dachgewölbe. »Bis vor zehn Jahren dachte man noch, dass die Decke völlig eben ist«, erläuterte Ulla Schrewe. Als im Kirchenschiff Risse in den Gewölben zu Tage traten, wurde erst klar, dass der Schutt aus Jahrhunderten auf der Decke lastete. Helga Uhlmann: »20 Tonnen Mörtel, Holz und sogar Werkzeug haben die Arbeiter aus der Kirche herausgeschafft.« Seither liegen die Gewölbebogen frei. Holzstege führen über sie hinweg und machen die Kirchendecke begehbar.
Bei Glockengeläut und nächtlicher Dunkelheit lauschten die Zuhörer der Sage vom »Mann ohne Kopf«, der noch immer im Kirchturm spuken soll. Eckehard Ringewaldt trug die Erzählung rund um den folgenschweren Stadtbrand von 1683 und Küster Anton Urft in schaurig-schöner Atmosphäre vor. Zwei Treppenaufstiege höher im Turm zogen die mächtigen Glocken die Blicke auf sich -Êmanch ein Besucher entlockte ihnen per Hand einen allzu bekannten Klang, der sonst aber deutlich lauter durch Versmold schallt.
Zurück im Kirchenschiff erläuterte Helga Uhlmann Geschichtliches und Bemerkenswertes zum Innern der Kirche, zu den zwei Kreuzen im Altarraum, zum barocken Taufstein und den erst vor wenigen Jahren entdeckten Holzfiguren, die bald restauriert hier wieder ihren Platz finden sollen.
Mit kleinen Laternen in der Hand zog die Gruppe schließlich durch das nächtliche Versmold -Êvorbei am altehrwürdigen Steinkreuz an der Ampelkreuzung durch den vor 163 Jahren als Privatpark der Familie Delius hergerichteten heutigen Stadtpark bis hin zum Heimatmuseum an der Speckstraße. Hier wartete auf die Teilnehmer der besonderen Stadtführung in gemütlicher Atmosphäre ein frisch über offener Flamme gekochter Punsch und die Möglichkeit, die neu gewonnenen Erkenntnisse aus Versmolds Stadthistorie auf sich wirken zu lassen oder sich mit anderen darüber auszutauschen.
»Spannend und interessant« fand Karin Strack, eine der Teilnehmerinnen, die Nachtwächter-Führung: »Ein tolles Angebot, das gut für das Image der Stadt ist.«

Artikel vom 27.11.2006