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Kiezgrößen, VIPs
und schrille Typen

¥ Stretch-Lincoln wartet vergebens auf  Schulz
¥ Prodiac-Leute kassieren Elektro-Shocker

Halle (WB). Axel Schulz kam als tragischer Held. Er ging als gezeichneter Verlierer. Das Publikum war enttäuscht. Doch die schweren Jungs und leichten Mädchen ließen sich die Laune nicht verderben: Während Tausende von Besuchern Samstagnacht verärgert das Stadion verließen, stieg die Stimmung an einigen Tischen im VIP-Bereich. Dort versprühten auffällige Erscheinungen Spritzer von Sekt und Kiez-Atmosphäre.

Keine halbe Stunde hat die Blamage gedauert. Doch die weiße Stretch-Limousine am Haupteingang wartet in dieser Nacht der Antworten vergebens auf das Schwergewicht Schulz. Eigentlich wollte der Boxer gemeinsam mit Freunden in dem 9,5 Meter langen Miet-Lincoln (ab 150 Euro die Stunde) nach Hamburg fahren. Aber um drei Uhr in der Früh muss die Gruppe sich damit abfinden, dass er es sich anders überlegt hat. Im VIP-Bereich fehlt Schulz ebenfalls. Alle Antworten gibt hier der Sieger Brian Minto.
Zu dieser Zeit ist Halle schon wieder ruhig. Die Parkplätze, auf denen wenige Stunden zuvor Autos mit Kennzeichen aus halb Deutschland standen - darunter mehrere Stretch-Limousinen und auffällig viele teure »SUVs«, gewichtige Spezial-, aber nicht immer geländegängige Fahrzeuge - , sind größtenteils schon wieder leer. Sozusagen ein geordneter Rückzug.
Doch auch bei der Anfahrt hatte es kaum Probleme gegeben. »Die neue Technik hat sich bewährt. Nur der Faktor Mensch hat nicht richtig funktioniert«, hat der stellvertretender Leiter der Polizeiwache, Harald Gatzke, festgestellt. Dass sich verschiedene »sehr bedeutende Personen« trotz grüner Ampeln mitten auf der  68-Kreuzung nach dem direkten Weg zum VIP-Bereich erkundigen - geschenkt.
Am Haupteingang bleibt ihnen der Body-Check nicht erspart. Die Leute des Sicherheitsdienstes Prodiac scannen fast jeden ab. Und der Metalldetektor schlägt oft genug an: Zwei eleganten Damen nehmen die Prodiac-Leute jeweils einen Elektro-Schocker ab. Sie kassieren aber auch einen Schlagring, Reizgas, wenige lange Messer und jede Menge Taschenmesser. Batterien sammeln sie ein, Ersatz-Akkus für Kameras, Haarspray-Dosen und kleine Sektflaschen, alles Dinge, die als Wurfgeschoss dienen könnten im Stadion, das kurz zuvor noch von einem Sprengstoff-Spürhund abgesucht worden ist.
»Eigentlich eine ganz gute Sammlung«, meint Prodiac-Mitarbeiter Robert Kell. Aber sein Chef Karsten Bansemer ist anderer Meinung. »Nichts Dramatisches - so ein paar Sachen bei mehr als 12 000 Besuchern«, findet der Kunden-Betreuer des Bielefelder Sicherheitsdienstes, der mit knapp 120 Kräften in Halle vor Ort ist.
»Neger-Kalle« Schwensen und seine Kumpel, bullige Kerle mit schweren Ketten um den Hals, die sich ihrer Profession entsprechend kleiden und benehmen, müssen sie kaum viel abnehmen. Die kennen sich aus bei Boxkämpfen und erscheinen gern mit einer tief dekolletierten Begleiterin. Übrigens sehr zur Freude vieler Besucher: Ob ultrakurzer Lack-Mini zum Hochhackigen oder Schottenrock an einem illustren Herrn gesetzten Alters - da gibt es wenigstens was zum Schauen.
»Das hat sich hier ja sonst nicht so gelohnt«, sagt Karl Meise, bis vor kurzem Präsident der NRW-Landwirtschaftskammer enttäuscht. Ein spannendes Duell im Ring wie vor zwölf Jahren bei Henry Maske in Halle konnte er seiner Frau jetzt nicht bieten.
»Axel Schulz konnte einem bisschen leid tun. Man hat doch gehofft, dass er eine echte Chance hat«, zeigt sich auch stellvertretende Landrätin Elke Hardieck von der sportlichen Darbietung wenig überzeugt. Halles CDU-Ratsherr Benedikt Baron Teuffel von Birkensee nickt: »Der Mut übertraf leider das Können«.

Artikel vom 27.11.2006