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»Bad Boy« in der Achterbahn

Martin Semmelrogge liest in Gütersloh aus seiner Autobiographie

Gütersloh (cu). Ungestüm, temperamentvoll und wortstark: Kein anderer deutscher Schauspieler verkörpert das so genannte »Bad Boy-Image« besser als Martin Semmelrogge. Im Autohaus Thiel an der Rhedaer Straße las der berühmte Außenseiter am Samstagabend aus seiner Autobiographie »Das Leben ist eine Achterbahn« vor - und erntete tosenden Applaus für sein Werk.

Gekleidet in eine abgewetzte Lederjacke und mit angerissener Jeans trat der Schauspieler gut gelaunt um Punkt acht auf die kleine Bühne. Mit der Frage »Na, alles im Lack bei euch?« begrüßte er die 120 Zuschauer, die es sich bereits zwischen den Luxuskarossen bequem gemacht hatten und nahm lässig in seinem Sessel Platz. »Gut, dann wollen wir mal anfangen«, verkündete der 51-Jährige mit seiner markanten Stimme, »denn wir haben ja keine Zeit. Ich muss meinem Freund Axel Schulz heute Abend noch in Halle die Ehre erweisen.«
Die Eile merkte man Semmelrogge jedoch nicht an: Geduldig begann er aus seiner Autobiographie zu lesen, die chronologisch geordnet einen detaillierten Einblick in die wildesten Eskapaden des Martin Semmelrogge gibt: »Ich hatte einen ungeheuren Bewegungsdrang und wollte immer raus in die Welt«, schilderte der 51-Jährige seine Kindheit. »Deshalb habe ich auch schon mit einem Jahr mein erstes Fahrverbot bekommen, als ich mit meinem fahrbaren Holzkinderbett quer durch die Wohnung rollte und anschließend hinausplumpste.«
Weiterhin sei er froh darüber, nicht in der DDR geboren zu sein. Sein zynischer Kommentar dazu: »Im Osten wäre ich nie so schnell wie in Schwaben an ein Auto gekommen. Außerdem wäre ich bei meinen Eskapaden noch wesentlich schneller im Gefängnis gelandet.« Soviel Ehrlichkeit und Humor belohnten die Zuschauer jedes Mal mit großem Beifall - Semmelrogge hat es während seiner Haftstrafe nicht verlernt, Entertainer zu sein.
Der selbstironische Blick zieht sich weiter durch sein gesamtes Buch, wie auch im Kapitel über das Jahr 1989. Im Mexiko-Urlaub habe er sich in einem Drugstore zwei Bier genehmigt, bevor er auf dem Highway weiterfuhr. Plötzlich sei ein Streifenwagen aufgetaucht und habe ihn angehalten. »Der Westentaschen-Speedy Gonzalez am Steuer wollte wissen, ob ich etwas getrunken hätte. Danach drohte er mir, ich solle das Land schnellstens Richtung Los Angeles verlassen, um weiteren Ärger vorzubeugen.« Der Schauspieler schüttelte den Kopf: »Ich glaube, Interpol scheint ein weltweites Semmelrogge-Radar zu besitzen - überall, wo ich auftauche, ist auch die Polizei nicht mehr fern.«
Mit einem kritischen Blick auf Deutschland im Jahr 2006 endete die rundum gelungene Veranstaltung: »Wir haben hier keine Stars, weil wir keine wollen. Ob Heidi Klum, Jürgen Klinsmann oder Martin Semmelrogge: Wenn wir am Boden liegen, wird noch mal nachgetreten.«

Artikel vom 27.11.2006