25.11.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Das schafft den stärksten Bullen

Jürgen Heider ist der erste hauptberufliche Tierbetäuber in der Region

Von Klaus-Peter Schillig
Halle-Kölkebeck (WB). Wenn Jürgen Heider aus 70 Metern Entfernung anlegt und abdrückt, kann das den stärksten Bullen umhauen. Vorteil: Er steht auch wieder auf. Denn Jürgen Heider hat sich spezialisiert auf Tierbetäubungen.

Es muss nicht immer das wildgewordene Rindvieh sein, das den Straßenverkehr unsicher macht oder, wie kürzlich in Steinhagen, ein ausgebüxtes Nandu, die eiligst lahmgelegt werden müssen, um sie wieder in Stall oder Gehege zurückzubringen. Für diese Fälle ist in erster Linie die Polizei dankbar, die im extremsten Fall zur Pistole greifen müsste, um eine gefährliche Situation zu entschärfen. Mit seinem langläufigen Betäubungsgewehr, eine Spezialanfertigung aus Dänemark, will sich Jürgen Heider vor allem zum Dienstleister entwickeln. Muss beispielsweise ein Hirsch aus einem Gehege zu einem anderen transportiert werden, ein krankes Großtier behandelt werden - der Kölkebecker könnte es aus der Entfernung ruhigstellen.
»Distanz-Immobilisation« heißt der Fachbegriff für das Handwerk des gelernten Tischlers aus Kölkebeck. Eine Berufsbezeichnung allerdings gibt es noch nicht für das, was er als seine Zukunft sieht: Tiere betäuben und Tiere transportieren - beim Gewerbeamt im Haller Rathaus staunte man nicht schlecht und reichte den Vorgang erst einmal an das Kreisveterinäramt weiter. Die prüften die Qualifikationen des 43-Jährigen - und verlangten ausgerechnet einen weiteren Nachweis für den Bereich, den er schon seit 14 Jahren für die Fleischerei Haskenhoff betrieben hat: Tiere transportieren. Das beherrscht er aus dem Effeff.
Aufwändig war es vor allem, im Lehrgang den Umgang mit Betäubungsgewehr und Narkosemitteln zu lernen. 30 Teilnehmer aus ganz Deutschland haben ihn im September in Eckem bei Lüneburg absolviert, darunter viele Großlandwirte mit großen Tierbeständen, aber auch Tierärzte oder Pfleger aus Zoos. Für die Prüfung musste richtig gebüffelt werden. Da wurde Waffenrecht ebenso abgefragt wie die Zusammensetzung und Dosierung von Narkosemitteln. Die nämlich richtet sich in erster Linie nach dem Gewicht und dem Zustand des Tieres. Je aufgeregter ein Bulle, um so schlechter wirkt die Betäubungsspritze.
Abgeschossen werden die Spritzen mit dem markanten Federbausch am Kopfende aus dem langen Gewehrlauf mit Gasdruck. Über ein Manometer kann Jürgen Heider ablesen, wieviel Druck die an der Waffe montierte kleine Co2-Kartusche schon aufgebaut hat. 14 bar reichen für 40 Meter, 25 müssen es für 70 Meter, die Maximalentfernung, sein. Als Ziel visiert der Kölkebecker »immer den Batzen« an, denn an der Hinterhand gibt es das meiste Fleisch, das Betäubungsmittel kann sich am besten verteilen. Und das Risiko eines Fehlschusses in ein empfindliches Organ oder eine Ader ist am geringsten.

Artikel vom 25.11.2006