23.11.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Keine Hilfe
aus Deutschland

Kurnaz erhebt erneut Vorwürfe

Brüssel (dpa). Der freigelassene Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz aus Bremen hat schwere Vorwürfe gegen die deutsche und die türkische Regierung erhoben.
Murnat Kurnaz: »Auf der falschen Seite«.

Vor dem CIA-Sonderausschuss des Europa-Parlaments schilderte Kurnaz gestern in Brüssel, wie deutsche Soldaten ihn in Afghanistan misshandelten. Später hätten ihn deutsche Beamte zwei Mal auf dem US-Militärstützpunkt Guantánamo befragt, aber keinerlei Hilfe angeboten. Er habe nicht einmal Informationen von seiner Familie bekommen, sagte der Bremer mit türkischem Pass.
Nach dieser ersten öffentlichen Aussage von Kurnaz vor Abgeordneten wuchs der Druck auf die Bundesregierung, sich zur Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst CIA zu erklären. »Jetzt muss dringend aufgeklärt werden, wer, wann und wo die Verantwortung für das fünfjährige Martyrium dieses Mannes trägt«, forderte der Europa-Abgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler (SPD).
Kurnaz schilderte, wie er zu Beginn seiner Gefangenschaft im afghanischen Kandahar auf deutsche Soldaten traf. Sie hätten sich als Mitglieder der Spezialeinheit KSK ausgegeben. Er habe geglaubt, Hilfe zu bekommen. Doch die Soldaten hätten ihm erklärt, er stehe »auf der falschen Seite«. Ein Uniformierter habe ihn an den Haaren gezogen: »Er sagte mir: »Wir sind das KSK«, und schlug meinen Kopf auf den Boden«, sagte Kurnaz.
Anfang 2002 wurde Kurnaz gefesselt und mit verbundenen Augen nach Guantánamo geflogen. Dort seien 2002 drei Deutsche aufgetaucht, zwei Jahre später nochmals einer.
Auch türkische Offizielle hätten ihn in Guantánamo verhört. »Sie haben mir gesagt bei der Befragung, dass sie absolut gar nichts für mich tun können«, sagte Kurnaz. Sie hätten ihn für einen deutschen Spion gehalten, weil er »Freunde bei der Polizei« habe.

Artikel vom 23.11.2006