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Täter schießt sich in den Kopf

Kripo befragt Schüler nach Amoklauf - Verletzte verlassen Krankenhaus

Von Christian Althoff
Emsdetten (WB). Unmittelbar nach dem Amoklauf von Emsdetten, bei dem Bastian B. (18) am Montag 37 Menschen verletzt hatte, hat sich der frühere Realschüler eine Vorderlader-Pistole vor das Gesicht gehalten und sich mit einer 15-Millimeter-Kugel erschossen. »Er war sofort tot«, sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer gestern nach der Obduktion des Täters.
Sie ist eine von vielen Müttern, die das Geschehen noch immer nicht fassen können: Michaela Heitkemper-Eixler steht mit ihrem Sohn Marco vor der Schule, aus der der Zehnjährige am Montag entkommen war.Amokläufer Bastian B. hasste Schule und Schüler.

Schweer erklärte, man durchleuchte nun den Bekanntenkreis des Amokläufers. »Wir wollen klären, ob jemand etwas von der Tatplanung gewusst und trotzdem geschwiegen hat«, sagte der Oberstaatsanwalt. Derzeit gebe es aber keinen Hinweis auf Mitwisser.
Die Ermittler korrigierten und präzisierten gestern ihre ersten Angaben zu Tatablauf und Bewaffnung des 18-Jährigen. Danach hatte Bastian B. zwei Vorderladerwaffen und ein abgesägtes Kleinkalibergewehr bei sich. An seinem Körper waren drei selbstgebaute Rohrbomben befestigt, und in seinem Rucksack hatte der Täter fünf Rohrbomben sowie zahlreiche Brandbomben verstaut. »In seinem Opel fanden wir vier weitere Bomben, drei Molotow-Cocktails und eine Machete«, sagte Polizeisprecher Alfons Probst.
Nach der polizeilichen Befragung von Schülern und Lehrern stellt sich die Tat nun so dar: Gegen 9.20 Uhr erscheint Bastian B. auf dem sogenannten oberen Schulhof der Geschwister-Scholl-Realschule und feuert wahllos auf Kinder, die auf dem tiefergelegenen Hof stehen. Der schwangeren Lehrerin Stephanie H. (34), die ihn stoppen will, schleudert er eine Rauchbombe entgegen, die die Frau im Gesicht verletzt. Dann schießt Bastian B. in Richtung der Lehrerin. Der 18-Jährige strebt zwischen weinenden und schreienden Kindern auf den Haupteingang zu, während er weitere Schüsse abgibt und Hausmeister Günther U. (55) in den Bauch trifft. Bastian B. erreicht die Aula und feuert einen Schuss auf eine Schülergruppe. Dann zieht er sich unter Zündung von Rauchbomben in den oberen Stock zurück und schießt auf dem Weg dorthin insgesamt dreimal auf zwei Schülergruppen. Um 10.39 Uhr entdecken SEK-Kräfte den Amokläufer tot im zweiten Obergeschoss.
»Möglicherweise hat der Täter seine Waffen über das Internet bestellt. Gewissheit haben wir aber noch nicht«, sagte Oberstaatsanwalt Schweer. Er erklärte, dass es sich in zwei Fällen um Vorderlader handele, die mit 18 Jahren frei erworben werden könnten. Für die dritte Waffe, ein abgesägtes Kleinkalibergewehr, sei allerdings eine Besitzkarte vorgeschrieben, die Bastian B. nicht gehabt habe. Bei der Maschinenpistole, mit der sich der 18-Jährige im Internet präsentiert hat, soll es sich um eine erlaubnisfreie Softair-Waffe vom Typ »G3 SAS« handeln, die Farbkugeln verschießt. Das Geld für die Waffen hatte der Sohn eines Postboten offenbar als Hilfsarbeiter in einem Emsdettener Baumarkt verdient, wo er im Lager arbeitete.
In Emsdetten haben gestern bereits 300 der annähernd 700 Realschüler das Angebot angenommen, im örtlichen Kulturzentrum mit Psychologen und Seelsorgern zu sprechen. »Viele jüngere Kinder haben große Angst. Sie wollten in der ersten Nacht nach dem Amoklauf nicht alleine schlafen und trauen sich nur in Begleitung ihrer Eltern zur Toilette«, sagte Detlef Eden von der Caritas.
Der Schulhausmeister wird weiter in der Uniklinik Münster behandelt, während die vier Schüler, die Schussverletzungen erlitten hatten, im Marienhospital liegen - 500 Meter von ihrer Schule entfernt. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und Schulministerin Barbara Sommer besuchten die jungen Opfer gestern an ihren Krankenbetten. »Es wird noch lange dauern, bis die Schüler das Erlebte aufgearbeitet haben«, sagte Rüttgers anschließend.
Die schwangere Lehrerin Stephanie H. konnte inzwischen aus der Klinik entlassen werden, ist aber krankgeschrieben. Auch die 16 Polizisten und 15 Schüler, die Rauchvergiftungen erlitten hatten, sind wieder zu Hause.

Artikel vom 22.11.2006