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»Buße macht frei - zum Umdenken«

Zum heutigen Buß- und Bettag - Unbegrenzte Möglichkeiten oft Illusion

Autor Stefan Werth ist im Hauptberuf Studiendirektor in Werdohl.

Buße - das ist ein Wort, das in uns normalerweise keine positiven Gedanken weckt. Da denken wir schnell an das »Bußgeld«, das uns auferlegt wird und das uns an eine Übertretung, an ein Fehlverhalten erinnern soll. Und so ist auch der Buß- und Bettag mit wenig erfreulichen Gedanken verknüpft: Graues Novemberwetter verbindet sich mit der dumpfen Ahnung, dass auch bei mir nicht immer alles so läuft, wie es gut wäre.
Tatsächlich meint Buße aber weder Strafe noch drückende Last. Das griechische Wort, das aus dem Neuen Testament mit »Buße« übersetzt wird, lautet »metanoia«. Dieses Wort bedeutet wörtlich übersetzt »umdenken«. Und damit beschreibt es einen Kern der frohen Botschaft, des Evangeliums: Seit Gott in Jesus Christus auf uns zugekommen ist, sind wir eben nicht mehr festgelegt. So oft wir uns auch gefangen fühlen durch unsere Geschichte, unsere Prägungen, unsere Beziehungen, unsere Gedanken und Taten - diese Gefangenschaft gilt nicht mehr.
Indem wir das vorauseilende Handeln Gottes, seine befreiende Gegenwart in seinem Sohn Jesus Christus für uns annehmen, werden wir frei. Gott eröffnet uns den Weg, anders zu werden - anders zu denken, anders zu leben, anders zu handeln und anders mit unseren Mitmenschen und unserer Welt umzugehen. Er eröffnet den Weg zur Umkehr, zum Umdenken, eben zur »metanoia«.
Wir leben in einer Zeit und einer Gesellschaft, die von einer geradezu atemberaubenden Freiheit geprägt sind: Gerade junge Menschen müssen heute täglich entscheiden, wie und wer sie heute sein wollen. Das Leben wird in dem - oft nur scheinbar - unermesslichen Angebot zu einem Projekt, das gestaltet sein will.
Zwangsläufige Folge dieser erdrückenden Auswahl ist aber oft gerade nicht die grenzenlose Freiheit. Aus Überforderung, aus Angst vor dem unerbittlichen Urteil der anderen geraten Menschen in Zwänge, in Abhängigkeiten und Süchte. Die Freiheit der unbegrenzten Möglichkeiten erweist sich so oft genug als Illusion, als kaum zu bewältigende Herausforderung.
Um so wichtiger ist es, die alte Botschaft von der Umkehr, die uns zu jeder Zeit möglich ist, nicht zu verlieren. Wo Menschen umdenken und umkehren, verlieren die Sachzwänge und Zwangsläufigkeiten ihren Schrecken. Wo Menschen der befreienden Botschaft vertrauen, kommt echte Freiheit zustande: Freiheit, die Begegnung ermöglicht. Freiheit, die aufatmen lässt. Freiheit, die uns auf den richtigen Weg bringt.
In diesem Sinne ist der Buß- und Bettag ein guter Tag - ein Tag, der uns an die befreiende Wirkung des Evangeliums erinnert.
Dr. Stefan Werth, Werdohl, ist Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen

Artikel vom 22.11.2006