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»Videospiele nicht einzige Ursache«

WESTFALEN-BLATT-Redaktion fragt bei Schülern im Altkreis Halle nach

Altkreis Halle (WB). Nach dem Amoklauf von Emsdetten diskutieren auch die Schüler im Altkreis Halle und fragen nach dem Warum. Die WESTFALEN-BLATT-Lokalredakteure starteten eine Umfrage an den Schulen im Altkreis Halle.

Marius Maier-Wüstenberg (19), Schüler am Berufskolleg Halle, glaubt, dass man die Tat hätte verhindern können: »Mich wundert, dass die Eltern offensichtlich nicht mitgekriegt haben, wie krass der Junge drauf war. Meine Mutter würde es doch merken, wenn ich ein Waffen-Arsenal im Zimmer hätte. Dass die Politiker alles sofort auf die Videospiele schieben, finde ich nicht okay. Auch wenn klar ist, dass bestimmt Schäden gibt, wenn man täglich fünf Stunden allein hockt und spielt.«
Bela Brinkmann (19), früherer Schülersprecher am KGH, hofft, dass der Amoklauf noch im Unterricht zur Sprache kommt: »Es gab noch keine Gelegenheit, darüber zu sprechen. Aber es wäre schön, wenn wir über Emsdetten mit einem Lehrer diskutieren könnten. Wenn jemand so non-konform ist wie dieser Junge, dann kann Schlimmes passieren. Aber wenn es vorher Drohungen gibt, dann muss man mit Courage dagegen angehen.«
Carolina Schotte war erschüttert, als sie von der Bluttat erfuhr. Der 13-jährigen Versmolder Hauptschülerin jagt vor allem die Vorstellung Angst ein, dass sich die Attacken dem Abschiedsschreiben des Amokläufers nach ursprünglich gezielt gegen Lehrkräfte richten sollten: »Denn er hat ja eine Lehrerin getroffen und stattdessen viele Schüler verletzt. Das zeigt, wie egal es solchen Menschen in diesen Momenten ist, wem sie etwas antun.«
Carolinas Mitschülerin Svenja Krämer weiß, dass zu den Auslösern eines Amoklaufs besonders soziale Probleme zählen können. »Es gibt immer Menschen, die sich in unserer Gesellschaft benachteiligt fühlen. Sie wenden sich dann gegen alle anderen«, sagt die 13-jährige Versmolderin. »Deshalb finde ich gut, dass es an unserer Hauptschule Streitschlichtungsprogramme und Sozialarbeiter gibt. Ich glaube, das hilft vielen Schülern, die sonst vielleicht auch Probleme machen würden.«
Doro Weber (19) aus Werther: »Es entsetzt mich, dass so etwas schon wieder passiert ist. Meiner Meinung nach liegt die Schuld auf keinen Fall bei einer Instanz allein, sondern Schule, Familie, die Medien und Freunde sind gleichermaßen betroffen. Die Videospiel-Debatte halte ich für überzogen. Viel schockierender finde ich es, dass der Junge die Möglichkeit hatte, so viele Bomben und Waffen zu besitzen.«
KGH-Schülerin Alina Kuttke (18) aus Halle ist besorgt, weil sich derartige Fälle häufen: »Dass jemand so Aufsehen erregend Mitschüler angreift und verletzt, kann vielleicht auch andere motivieren, so etwas zu tun. Andererseits müssen wir aufpassen, dass solche Meldungen nicht zur Selbstverständlichkeit werden - nach Amerika und Erfurt«.
Dennis Sander (16) aus Borgholzhausen spielt selber ab und zu solche Spiele: »Aber bei mir hat das keinerlei Wirkung. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass es schon etwas auslösen kann, wenn das labile Charaktere spielen. Die fühlen sich dann stark. Ich kann Spiel von Realität unterscheiden«.
Daniela Schuh (16) aus Borgholzhausen sagt: »Wir haben in Gesellschaftslehre mit dem Lehrer darüber gesprochen.ÊDiese Ballerspiele finde ich krank. Wenn ich so was spielen würde, könnte ich mir schon vorstellen, dass ich dadurch aggressiv werde. Außerdem ist das unfähig, die Schule oder Lehrer für etwas verantwortlich zuÊ machen, nur weil er nichts erreicht hat. Das hat er doch alles selber zu verantworten.
Als Jasmin Ferhan (15) aus Steinhagen von dem Amoklauf erfahren hat, da hat sie sofort ihre eigene Schule, die Hauptschule, vor sich gesehen: »Ich glaube, so etwas kann überall passieren, weil es überall solche verrückten Menschen gibt«. Vielleicht habe ihn die Einsamkeit so weit gebracht: »Er hatte keine Freunde, er wurde gehänselt und vielleicht auch von den Lehrern anders behandelt«, sucht sie nach Erklärungen.
Unfassbar findet die Steinhagener Realschülerin Zerrin Yozbatiran (14) die Tat. »Das Erschreckendste ist, dass er um sich geschossen hat.« Lehrer hätten häufig wenig Verständnis für ihre Schüler. Dass sich aber ein solcher Frust aufbaue, dass man nur noch wild um sich schieße, das könne sie sich nicht vorstellen. »Ich habe glücklicherweise Freundinnen oder auch meine Mutter und meinen Bruder, mit denen ich über Probleme sprechen kann.«

Artikel vom 22.11.2006