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Karl August
Varnhagenvon Ense
(1785 - 1858)

»Menschen ohne Sitten sind die wahre Geißel
der anderen.«

Leitartikel
Reaktionen auf Emsdetten

Sandmännchen und
andere Mimen


Von Rolf Dressler
Die Berliner Rütli-»Problemschule«, das Massaker von Erfurt und als jüngstes Schreckensglied einer langen Unheilskette nun Emsdetten: Vordergründig müssen Tragödien dieses Ausmaßes immer wieder für alles Mögliche herhalten. Man plustert sich auf, bläst allerlei inhaltsleere Beteuerungen auf den Interview-Markt, lässt alt-ideologische Verbohrtheit durchscheinen und mimt Nothelfer-Aktionismus, oftmals ohne überhaupt nachgedacht zu haben.
Und wem partout nichts wirklich Erwägenswertes einfällt, der zieht garantiert die umwerfende Super-Abwehrkarte. Er warnt die jeweils anderen vor »kurzschlüssigen Patentreaktionen« und mahnt zu »ruhigem Nachdenken über die Ursachen von Gewalt« - wie gestern etwa Dieter Wiefelspütz von der SPD und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP. Soll heißen: Die bestehenden Gesetze reichen vollkommen aus, wir müssen sie nur anwenden. Sehr originell.
Wie oft hat man das Volk mit dieser Sandmännchen-Technik schon eingelullt! Genau daran krankt der Rechtsstaat doch seit Jahr und Tag: dass er sich mit seiner elementar falsch verstan- denen Über-Liberalität zum Gespött untatendurstiger krimineller Elemente macht - zu Lasten sei- ner Bürger und zum Schaden ungezählter mutterseeleneinsamer Verbrechensopfer.
Apropos gottverlassen. Eine gerade aus dieser Richtung bemerkenswerte Einsicht formulierte unlängst Steffi Lemke, Politische Bundesgeschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen: Wenn sich die Erwachsenen ihrer Grundwerte nicht bewusst seien und sie nicht aktiv vorleben wollten, werde es kaum gelingen, sie an die Jüngeren weiterzugeben. Denn, Zitat: »Wir sind unseren Kindern Orientierung schuldig - im täglichen Miteinander von Eltern, Großeltern, Erziehern, Lehrern, Freunden, Nachbarn.«
Welch ein Gesinnungs- und Ge- sittungswandel, wenn man daran zurückdenkt, dass maßgebliche Politpropagandisten der Grün-»Alternativen« in den 1980er Jahren mit der Forderung durch Deutschland geisterten, den sexuellen Umgang mit Minderjährigen straffrei zu stellen.
Der Staat habe weder Kindern noch sonstwem »eine Religion mitzugeben«, meint Steffi Lemke. Darin ist ihr zuzustimmen. Aber weshalb ergreifen sie und wir alle nicht endlich (wie- der) das großartige Ewigkeitsangebot, die Werteerziehung an den Zehn Geboten auszurichten? Sie geißeln jedwede Gewalt und geben den Kindern vor, die Eltern zu ehren, anstatt sie ätzend zu verhöhnen, wie es in einem Hinweis auf Eva Hermans Buch »Das Eva-Prinzip« kürzlich der »Spiegel« tat: »Warum haben Frauen so kleine Füße? Damit sie näher am Herd stehen können«... Auch so werden ungefestigte Menschen selbst gegen ihre engste Umwelt aufgebracht.
Infamie, Verachtung, Sittenlosigkeit und Sinnleere haben viele giftige Quellen. Selbst Video-Killer»-Spiele«(!) können deshalb verdammt rasch in grausame Wirklichkeit umschlagen. In Erfurt, Emsdetten und, und, und.

Artikel vom 22.11.2006