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»Förderung
der Jungen ist
notwendig«

Chefstatistiker Dr. Keil mahnt

Altkreis Halle (WB). Mehr Fokus auf die Bildung der Kinder fordert Dr. Hans-Joachim Keil, seit 30 Jahren Chef-Statistiker der Detmolder Bezirksregierung. Der Diplom-Volkswirt gab Donnerstagabend auf Einladung der Technische Werke Osning GmbH einen tiefen Einblick in Strukturen und einen Ausblick auf künftige Herausforderungen an Schulen und Ausbilder in Halle und im Kreis Gütersloh.

Ein Blick auf die Sekundarstufe II der Haller Schulen zeigt Strukturen auf: 48 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die in Halle zur Schule gehen, besuchen das Gymnasium, 38 Prozent die Realschule, 8,5 die Hauptschule und 6,3 Prozent die Sonderschule. In der Hauptschule liegt der Anteil der deutschen Kids bei 54,4, im Gymnasium bei 93,7 Prozent. Jedes zehnte Kind hat einen ausländischen Pass. Jedes fünfte Ausländerkind geht zur Sonderschule, nur jedes zehnte besucht das Gymnasium. 28 Prozent erreichen die Realschule, 40 Prozent die Hauptschule. Besonders beunruhigend: die Quote der Schüler, die das Abitur schaffen, lag zuletzt nur noch bei 19 Prozent im Kreis Gütersloh. Dr. Keil sieht Handlungsbedarf: »Mit diesem Ergebnis gehört der Kreis zu den vier schlechtesten in ganz Nordrhein-Westfalen.«
Die Quote der Jugendlichen, die die Schule vor dem Abschluss verlassen, liegt in Halle höher als in OWL (6,0%). Landesweit liegt sie bei 6,9, um 0,7 Prozent höher als noch zehn Jahre zuvor. Geht man in die Tiefe, zeigt sich, dass deutsche Mädchen mit 3,4 Prozent am seltensten abbrechen, deutsche Jungen doppelt so häufig (6,9 Prozent). Aussiedler-Mädchen haben Biss - hier liegt die Quote nur bei 2,8 Prozent, Jungen aus Aussiedler-Familien kommen auf eine Quote von 7,4 von Hundert. Bei den ausländischen Kindern ist die Abbrecherquote deutlich höher: 13,7 bei den Mädchen, 16,8 bei den Jungen. Das Stärke-Schwäche-Gefälle zeigt sich nicht nur bei der Abbrecherquote, sondern auch bei den Noten. Der Vergleich zwischen den Zahlen aus 1993 und 2003 fordert zum Handeln. Dr. Keil: »Quer durch alle Schulformen zeigt sich, dass wir eine gezielte Förderung von Aussiedler- und Ausländerjungen angehen müssen.« In abgeschwächter Form gelte die Förderungsnotwendigkeit auch für deutsche Schüler, so Keil.
Spannend waren auch Keils Prognosen: Bis zum Jahr 2020 wird die Zahl der Kinder und Jugendlichen im Alter von 10 bis 18 Jahren von 204 000 auf 168 000 zurückgehen. Das sind 18 Prozent, 36 000 Schüler oder 1 333 Schulklassen weniger als heute in der Sekundarstufe II. In der Grundschule geht es schon früher los: Hier wird die Schülerzahl bis 2015 OWL-weit von 95 000 auf etwa 80 000 fallen. Dazwischen liegen, so Keil, 660 Klassen: »Schulfusionen oder Schulschließungen sind noch nur vereinzelt, künftig aber flächendeckend Thema.«
Der demografisch bereits sichtbare Mangel an Berufsnachwuchs wird jedoch noch etwas auf sich warten lassen: Bis 2012 nimmt durch Warteschleifen im Berufskolleg die Zahl der Lehrstellensuchenden noch zu, erst danach geht es abwärts. Mit den Wartschleifen einhergeht, dass die Lehrstellenbewerber immer älter werden.

Artikel vom 18.11.2006