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Literarisch aufs
Beste betreut

Dr. Doris Maurer gab Lesetipps

Werther (el). Etwas gegen die November-Depression, oder doch lieber ein Führer für den eigenen Urlaub in Wien? Literaturwissenschaftlerin Dr. Doris Maurer hielt für die 80 Besucher der Buchhandlung Lesezeichen am Sonntagmorgen wieder viele Tipps zum Schmökern bereit - ganz frisch aus der diesjährigen Herbstsaison.

Eine sprachliche Offenbarung nannte Doris Maurer ihr Lieblingsbuch diesen Herbstes. Es stammt aus der Feder von Karl-Heinz Ott, heißt »Ins Offene« und ist eigentlich gar nicht wirklich neu. Der Erfolg des Autors im Vorjahr führte zu der Neuauflage dieses Buches von 1989 und kommt so nun endlich zu seinem Recht. Doch nicht nur die Sprache überzeugte die Literaturwissenschaftlerin, die seit 18 Jahren auf Lese-Touren ihren ganz persönlichen Blick auf die Bücherwelt vermittelt.
So war es bei dem Roman »Chuzpe« von Lily Brett beispielsweise deren ausgesprochener Witz und in der Anthologie »Ich weiß um Deine dunkle Seele« von Giancarlo De Cataldo sein akribischer Sammeleifer. Hatte er doch sämtliche zeitgenössischen italienischen Krimiautoren mit jeweils einer Geschichte aufgeführt. Ähnlich war es auch bei Sybille Bedfords, die die gesamte Kulturgeschichte der 1920-40er Jahre zusammengetragen und im Buch »Treibsand« vereint hat. Bei Eva Gesine Baurs »Wiener Geschichten« wurde hingegen besonders der Nachahmungseffekt wichtig. Denn mit diesem Buch, so Doris Maurer, könne man sich zwei Wochen lang in Wien kulinarisch und kulturell aufs Beste betreut herumtreiben.
Bestens betreut fühlten sich auch die 80 Besuche. Schließlich stellte Doris Maurer jedes einzelne Buch anschaulich und mit viel Energie vor, auch die, die »nett und leicht, aber nicht seicht« zu lesen seien, wie Hedwig Dohms Briefroman »Sommerlieben«.
Zwar fehlte in diesem Herbst die Kategorie Lyrik, aber einige sehr poetische Bücher, wie das melancholische »Die Vikarin« von Erika Burkart machten dies wieder wett. Dabei brauche man auch keinesfalls an Theologie zu denken, erklärte Doris Maurer, weil es sich einfach um den schweizerischen Ausdruck für eine Vertretungs-Grundschullehrerin handele. Ein Geschenk für eine Lehrerin aber, sei dies eher nicht, meinte Doris Maurer, dazu sei es zu tragisch. Da eignete sich dann wohl besser der einzige Kalender der Literaturschau. Auch hier hatte Doris Maurer einen ausgesprochenen Liebling - die »Fliegenden Wörter« aus dem Münsteraner Daedalus Verlag, die nicht nur mit graphischen Postkartenmotiven, sondern auch mit Gedichten das kommende Jahr begleiten können.

Artikel vom 20.11.2006