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Sogar Verena Pooth hält ihren Atem an

Virtuoses Abschlusskonzert der »Neuen Stimmen« im Foyer der Bertelsmann Stiftung


Gütersloh (WB). Verona Pooth, ehemals Feldbusch, hätte selbst gern einmal singen wollen. In der Oper, vor Publikum. Nun darf sie mit anhören, was ihr selbst verwehrt blieb. Beim Abschlusskonzert der »Neuen Stimmen« im Foyer der Bertelsmann Stiftung sitzt sie in der ersten Reihe, direkt neben Liz Mohn.
Der Wettbewerb habe »Freundschaften über alle Religionen, Kulturen und Kontinente hinweg gestiftet,« sagte die Gastgeberin zur Begrüßung. Dass Freundschaft nur immer neu und jung entstehen kann, reflektierte sich im eröffnenden Auftritt des Kinderchors »Schlossspatzen Detmold«. In »Plitsch und Platsch« sowie »Die alte Moorhexe« ging es eben um jenen kindlichen, weltoffenen Gesang im Sinne »Neuer Stimmen«, den auch der künstlerische Leiter Prof. Dr. Gustav Kuhn »niemals missen« wollte. In Tschechisch sang anschließend der Chilene Javier Arrey andächtig von der Empore aus die innig slawisch interpretierte Nr. 5 aus »Biblische Lieder op. 99« von Antonin Dvorak.
Es folgte das Quintett »Sento oddido« aus Mozarts »Cosi fan tutte«. Maria Radoeva mit ihrem lyrischen Sopran als Fiordiligi, Jurgita Adamonyte mit ihrem reinen Mezzosopran als Dorabella, Manuel Núñez Camelino mit seinem herrlichen Tenor als Ferrando, Bojidar Vassilev mit seinem warmen Bariton als Guglielmo und Flurin Caduff mit seinem klangvollen Bassbariton als Don Alfonso korrespondierten stimmlich sowie dramaturgisch perfekt. Durch Adamonytes Mozart-Arie »Voi che sapete« als Cherubino aus »Le Nozze di Figaro« sowie durch ihr »Litauisches Volkslied« vermittelte sich sowohl vom Klavier begleitet virtuos, als auch die Seele ihres Landes in Quinten- und Sekundenstimmungen intonierend, der wunderbar klare Gesang mit reinster Prägung der jungen Litauerin. Nachdem der schweizerische Flurin Caduff mit zwei »Rätoromanischen Volksliedern« sein solistisches Können bewiesen hatte, landete die argentinische Sopranistin, Carla Filipcic, mit »Befreit« op. 39, 4 von Richard Strauss durch ihre die klanglichen Innenräume im gesamten Foyer öffnenden Stimme mit ausgereifter deutscher Prononcierung einen ersten virtuosen Höhepunkt. Ihre anschließende Rossini-Arie »Ami alfine« aus »Matilde di Shabran« wechselte die deutsche Legatokultur mit italienischer Koloratur in fließendem italienisch ab. Filipcics »hochkultivierte Tonbildung« bezauberte die Audienz mit ihrer auch während Läufen in den höchsten Lagen sich noch steigernden Anmut.
Spielte der deutsch-türkische Selcuk Cara zunächst als Kaspar die »urdeutsch« - dramatische Arie »Schweig, schweig« aus »Der Freischütz« von Carl Maria von Weber vor, beeindruckten auch seine Arie »Summertime« aus George Gershwins »Porgy and Bess« sowie sein inbrünstig anrührendes »Türkisches Volkslied« das Publikum durch seinen überzeugenden Bass. Nach Bojidar Vassilevs lyrischer Bariton Serenade »Deh vieni alla finestra« aus Mozarts »Don Giovanni« folgte das gloriose Sextett aus Mozarts »Cosi van tutte«, »Alla bella Despinetta«, da die chinesische Sopranistin, Nan Zheng, zum vorherigen Quintett noch hinzukam. Mit ihrem chinesischen Lied »Herbst« gewann sie die große Gunst der Zuhörerschaft.
Sollten sich im Terzett »Che fiero punto è questo« aus Rossinis »Otello« mit dem Südafrikaner Phandulwazi Maseti als Otello, dem Argentinier Camelino als Rodrigo und der die Australierin Jessica Pratt vertretenden Filipcic als Desdemona ursprünglich Stimmen aus drei Kontinenten begegnen, vereinte das finale Septett »Hélas! Mon coeur sÕégare encore« aus »Les contes dÕHoffmann« von Jacques Offenbach alle zwölf Sänger zum großen Unisono auf der Treppe im eindrücklichen Fortissimo. Johannes Zoller

Artikel vom 20.11.2006