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Seit 26 Jahren: Frau mit
Herz hilft Familien in Not

Dagmar Müller kommt, wenn »Not am Mann« ist

Von Klaus-Peter Schillig
Halle (WB). Die Mutter hat wegen einer Erkrankung drei Wochen Krankenhausaufenthalt vor sich, drei kleine Kinder müssen versorgt werden. Ein Fall für die Familienpflege der Diakonie. Deren Einsatzleiterin ist seit 1999 Dagmar Müller - ein Fall für die WESTFALEN-BLATT-Serie »Menschen in der Diakonie«.

Die 46-Jährige aus Brockhagen besitzt einen ganzen Ordner mit Bildern, die ihr Kinder aus betreuten Familien als Dankeschön mitgegeben haben. Seit 26 Jahren schon arbeitet sie beim zweitältesten Dienst der Diakonie als Familienpflegerin, seit sieben Jahren hat sie zusätzlich die Einsatzleitung übernommen, weil die dafür vorher vorgesehene halbe Stelle eingespart werden musste. Die ganze Planung liegt jetzt in ihrer Hand, auch die Kostenzusagen durch die Krankenkassen an anfragende Familien sind ihre Sache.
Dagmar Müller hat erst eine Hauswirtschaftslehre absolviert, ehe sie auch noch die Ausbildung zur staatlich anerkannten Familienpflegerin angehängt hat. Und seit sie bei der Diakonie arbeitet, weiß sie, wie vielfältig der Beruf »Mutter« ist: Da sei man Säuglings- und Kinderschwester, Erzieherin, Lehrerin, Köchin, Wirtschafterin, Managerin des Haushaltes und Chauffeurin in Personalunion. Fast alle diese Aufgaben muss auch die Familienpflegerin übernehmen, wenn durch Krankheit oder Risikoschwangerschaft Geburt oder Kur plötzlich die Mutter ausfällt und die Familie Ersatz braucht. »Allerdings kommen wir nicht als Putzfrau«, stellt Dagmar Müller klar. Zwar werde für die Kinder auch die Wäsche gemacht, bei Kurzeinsätzen allerdings gehören Wischen und Saugen nicht zum Auftrag.
53 Familien wurden im vergangenen Jahr betreut, in 20 Fällen war die Mutter krank, aber zu Hause, neun Mal wurde Hilfe wegen Entbindung oder Problemen in der Schwangerschaft benötigt. Allerdings wurden auch 52 Anfragen wegen Terminproblemen abschlägig beschieden, denn die eine oder andere Mitarbeiterin kann schon mal länger in einer Familie gebunden sein. »Der längste bei mir dauerte drei Jahre, unterbrochen nur vom Urlaub«, erinnert sich Dagmar Müller. Und danach sei sie pychisch und körperlich selbst völlig fertig gewesen. »Manches Schicksal geht nicht spurlos an einem vorbei«, beschreibt die 46-Jährige auch ihre Tätigkeit als einfühlsame Psychologin, die sich bei schweren Erkrankungen ängstlichen Fragen der Kinder ebenso gegenübersieht wie einem mitunter verzweifelten Ehemann. Aber nicht nur ein nahender Todesfall, auch eine psychische Erkrankung sei für Kinder nur schwer begreifbar. Da seien oft ganz viele Gespräche nötig - vor allem aber Zuhören.
Um möglichst vielen Familien helfen zu können, arbeitet der Dienst der Diakonie eng auch mit den Kolleginnen der Caritas in Gütersloh zusammen. Auch der eher landwirtschaftliche Betriebshilfsdienst ist in den Austausch mit einbezogen, wenn mal »Not am Mann« ist. Und auch über die Gebietsgrenzen hinweg leistet man sich gegenseitig Unterstützung - alles im Sinne der Kinder.

Artikel vom 18.11.2006