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»Viel Arbeit schadet überhaupt nicht«

Der älteste Piumer, Wilhelm Remmert, feiert heute im Kreis der Familie den 107. Geburtstag

Borgholzhausen (ak). Schneidermeister Wilhelm Remmert hat sein Leben lang viel gearbeitet - oft bis in die Nacht hinein. Stets hat er mit Freude zu Nadel und Faden gegriffen. Die Arbeit wurde ihm nie zur Last. Vielleicht ein Garant für ein langes Leben. Am heutigen Mittwoch feiert Wilhelm Remmert seinen 107. Geburtstag.
Damit ist Wilhelm Remmert der älteste Borgholzhausener und darüber hinaus der älteste Einwohner im Kreis Gütersloh.
Die Welt, in die Wilhelm Remmert hineingeboren wurde, scheint eine ganz andere zu sein. Wem ist es schon vergönnt, drei Jahrhunderte mitzuerleben? Rückblick: Im Januar 1899 wurde die Automarke Opel gegründet. Zwei Monate später ließ sich die Firma Bayer AG »Aspirin« als Markenzeichen eintragen. Im April 1899 wurden Frauen erstmals offiziell zu den Staatsprüfungen der Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie im Deutschen Reich zugelassen. Am 15. November 1899 erblickte Wilhelm Remmert das Licht der Welt. Im benachbarten Bockhorst wuchs er mit vier Geschwistern auf. An den Umzug nach Pium kann er sich noch erinnern. »Das war 1906. Zu der Zeit bin ich auch in die Schule gekommen«, sagt er. An der Bahnhofstraße haben sich seine Eltern ein Haus gebaut. Sein Vater hat damals bei Schulze Lebkuchen als Verwalter und in der Bäckerei gearbeitet. »Mit dem Pferdewagen ist mein Großvater bis nach Münster gefahren und hat Gebäck ausgeliefert«, berichtet sein Sohn Jochen Remmert.
Dass Wilhelm Remmert ein so hohes Alter beschieden sein würde, war nicht abzusehen, wenngleich auch seine vier Geschwister - darunter ein Bruder und drei Schwestern - alle recht alt geworden sind. Denn viele schwere Krankheiten säumten seinen Weg. Das ein oder andere Mal ist der Piumer dem Tod wahrlich von der Klippe gesprungen. Vielleicht waren manche dieser Belastungen im Nachhinein auch ein Segen, denn seine schlechte körperliche Verfassung bewahrte den damals fast 40-Jährigen vor dem Einzug in den Zweiten Weltkrieg. Der Erste Weltkrieg hatte ohnehin schon genügend seelische Spuren bei ihm hinterlassen. Etwa eineinhalb Jahre musste er in Russland und Frankreich kämpfen. 1917 wurde er mit 17 Jahren eingezogen, das Weihnachtsfest 1918 konnte er wieder zu Hause in Pium verbringen - nach einem dreimonatigen Fußmarsch von Frankreich nach Bielefeld. »Alles furchtbar«, fasst er zusammen.
Die Jahre 1920 bis 1922 verbrachte der junge Schneidergeselle in Bremen. Dort hatte sein Bruder Heinrich ein Lebensmittelgeschäft. Die Jahre im Norden haben sich für Wilhelm Remmert mehr als gelohnt, denn dort lernte er seine Frau Meta, »eine echte Bremerin«, kennen und lieben. Geheiratet wurde am 30. November 1922 in Bremen. »Dann wurde die Inflation jedoch zu stark und so wir sind nach Borgholzhausen gezogen. Dort habe ich mich nach meiner Prüfung zum Schneidermeister selbstständig gemacht«, erklärt der 107-Jährige.
Seinen Ausgleich fand er in der Familie. Tochter Anneliese wurde 1923 geboren. Nachzügler Jochen folgte 18 Jahre später. Viel Freude bereitete ihm auch das Singen im Männergesangverein und die Arbeit in seinem großen Garten, den er mit viel Liebe und Sorgfalt pflegte. »Arbeit schadet nicht«, ist der älteste Piumer sich sicher. Im hohen Alter hält er sich mit Lesen fit, vor allem mit dem Lesen der Tageszeitung. Wilhelm Remmert: »Ich beteilige mich an allem, das ist wichtig.« Auf die Frage, wie man es schaffen kann, möglichst alt zu werden, muss er nicht lange überlegen, sondern hat schnell eine Formel parat: »Solide leben!«

Artikel vom 15.11.2006