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»Schuld des Rassenwahns nicht vergessen«

Jüdischer Friedhof: Mehr als 60 Gäste gedenken der in Nazi-Deutschland getöteten Juden

Werther (law). Der 9. November ist ein deutsches Schicksalsdatum, das für Schlimmes und Schönes steht. Ein positives Ereignis war der Mauerfall 1989. Für das Grauen jedoch steht der 9. November 1938 - die Reichspogromnacht, in der hunderte von Synagogen angezündet wurden. An diese Taten erinnerten sich am Sonntag auf dem jüdischen Friedhof mehr als 60 Menschen.

»Es ist ein Ort der Erinnerung und des Gedenkens, aber auch der Hoffnung und der Zuversicht«, berichtete Heinrich Ellerbrake von der evangelischen Kirchengemeinde Werther. »68 Jahre ist es her, dass unter dem Vorwand einer Vergeltungsaktion die Synagogen in Brand gesteckt wurden«, erinnerte der Superintendent des Kirchenkreises Halle, Walter Hempelmann, an die grausamen Ereignisse, die damals viele Menschen als »stumme Zeugen« erlebt haben.
So lange die Erde bestehe, so Hempelmann, könne und dürfe die Schuld des deutschen Rassenwahns nicht vergessen werden. »Frieden ist nur möglich, wo man die Wahrheit benennen kann«, mahnte der Superintendent. Auch für die heutige Generation gelte »keine Gnade der späten Geburt«, so Hempelmann weiter, der dazu aufforderte, in alter jüdischer Tradition Steine der Erinnerung gegen die Israel-Vergessenheit auf die Gräber niederzulegen.
»Auch als Zeichen der Hoffnung und der Zuversicht benötigen wir Orte der Erinnerung«, berichtete Walter Hempelmann und forderte eine »gesamtgesellschaftliche Erinnerung«. Doch nicht nur der Blick zurück sei wichtig, sondern auch der auf die aktuelle Situation im täglichen Leben. In Anlehnung an die biblische Geschichte aus dem Alten Testament von Kain und Abel fragte Hempelmann die mehr als 60 Gäste auf dem jüdischen Friedhof: »Wo ist dein Bruder? Was hast du getan?«
Anschließend sprach Alfred Spier von der jüdischen Gemeinde in Bielefeld das »Kaddisch«, ein Gebet zur Heiligung des göttlichen Namens, das oft auch stellvertretend für die Verstorbenen gebetet wird. Nachdem Spier das Gebet auf Hebräisch gesprochen hatte, musste er an seine Frau Hannelore abgeben, die ebenfalls zum Ende des Gebets den Tränen nahe war.
Wie in den Jahren zuvor spielte auch am Sonntag der Posaunenchor der evangelischen Kirchengemeinde Werther unter der Leitung von Rolf Düfelmeyer. Zum ersten Mal sang auch der Chor »Stimmgabel« ausgewählte Stücke.

Artikel vom 14.11.2006