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Rücksichtslose Raubzüge gegen eigene Nachbarn

Ausstellung »Verfolgung und Verwaltung« eröffnet

Versmold (mapu). »Verfolgung und Verwaltung« - für Bürgermeister Thorsten Klute im Bezug auf den Holocaust eine untrennbare Kombination. »Denn dieser Wahnsinn musste auch organisiert werden.« Seit Donnerstag können sich Bürger einen Einblick in die Verbrechen der behördlichen Schreibtischtäter verschaffen, die die wirtschaftliche Ausbeutung der Juden bürokratisch legitimierten.

Im Anschluss an den gut besuchten Gedenkmarsch anlässlich der Opfer der Reichspogromnacht führten sich die Versmolder im Rathausfoyer bei der Ausstellungseröffnung vor Augen, mit welcher Kaltblütigkeit sich viele Deutsche im Dritten Reich an Hab und Gut ihrer jüdischen Mitbürger bereicherten. Ausgestellte Dokumente zeugen dabei von einer erschreckend gefühllosen Bürokratensprache, deren Worte in Anträgen zum Erwerb jüdischen Besitzes die Grausamkeit hinter den Enteignungsprozessen fast verschleiern. Deutlich wird angesichts der formalen Formulierungen aber auch, dass es sich um alltägliche Vorgänge handelte, die dem damaligen Recht unvorstellbarer Weise entsprachen.
Wie die Behörden dem »Nachbarn von nebenan« seine rücksichtslos egoistischen Raubzüge gegen »bald ohnehin deportierte Juden« ermöglichten, ließ nicht wenigen Besuchern vor Schreck das Blut in den Adern gefrieren. Die übersichtlich dargestellte Entlarvung der Mittäterschaft ganz normaler Reichsbürger am wirtschaftlichen Part des Holocaust dürfte nicht nur deshalb neue Denkanstöße geben.
Denn trotz der inflationären Beitragsflut der Medien zum Thema Nationalsozialismus sei die Ergründung des Beitrags der Verwaltungsbehörden zum Genozid an Millionen von Juden noch immer ein wenig erforschtes Gebiet, sagte Bürgermeister Thorsten Klute. Dennoch bestätige diese Ausstellung seinen Eindruck, dass sich die Mehrheit der Bundesbürger mit den in ihrem Land begangenen Gräueltaten auseinandersetzt: »Der Nationalsozialismus gehört zur Geschichte Deutschlands - ob wir wollen oder nicht.«
Die nötigen Lehren daraus haben aber immer noch nicht alle Deutschen gezogen, wie die Erfolge der rechtsextremen NPD bei Landtagswahlen zeigen. Um so wichtiger sei es, dass den braunen Kräften entgegengewirkt werde - zum Beispiel mit der Ausstellung »Verfolgung und Verwaltung«. Ausdrücklich dankte Klute den Hauptschülern für ihre Beteiligung an der Ausstellung, die damit einmal mehr belegten, dass ihrer Schule das Siegel »Schule gegen Rassismus - Schule für Courage« zurecht verliehen wurde.
Die Ausstellung wird noch bis zum 30. November zu sehen sein. Sie ist von Montag bis Mittwoch von 7.30 bis 17 Uhr, donnerstags von 7.30 bis 18 Uhr und freitags von 7.30 bis 12.30 Uhr geöffnet.

Artikel vom 11.11.2006