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13 500 feiern
»Sir Henry«

8. Oktober 1994 gegen Barkley

Von Stephan Arend
Halle (WB). »Die Nacht der Antworten«: Millionen von Zuschauern schauen am 25. November nach Halle. Dort feiert Axel Schulz gegen Brian Minto sein Comeback. Schon einmal war die Lindenstadt Austragungsort eines Box-Spektakels. Am 8. Oktober 1994 verteidigte Henry Maske im Gerry Weber Stadion seinen Weltmeister-Titel gegen Iran Barkley.

Erster »Schlagabtausch«: Der 34-jährige Barkley (Kampfnahme: The Blade/die Klinge) war schon selbst drei Mal Weltmeister. Doch diese sportlichen Glanzzeiten gehören im Oktober 1994 längst der Vergangenheit an. Schon vor dem Kampf ist sein linkes Auge von einem Treffer beim Sparring stark geschwollen. Iran Barkley, der Mann aus der Bronx, kennt nach zwölfjähriger Profikarriere die Regeln des Geschäfts allerdings aus dem Eff-Eff. Er ist der Gegegenpol zu Saubermann Maske, erfüllt die Rolle des Bösewichts mit markigen Worten: »Wenn Mister Maske nicht wie ein Huhn wegläuft, wird es ein echter Fight. Ich schicke ihn vom Ring direkt ins Grab.« Der Titelverteidiger sitzt ihm in Anzug und Krawatte gegenüber - ein Gentleman eben. »Wenn Samstag Abend der Gürtel des Weltmeisters vor mir hergetragen wird, dann gehört er mir nicht mehr. Ich muss ihn mir immer wieder erkämpfen.« Henry Maske übt sich in Bescheidenheit. Er wird im Ring antworten - auf seine (schmerzhafte) Art.
Der Kampfabend - die Spannung steigt: Die Inszenierung ist perfekt. Eine gigantische Lasershow, untermalt von der neuen Erkennungsmelodie des Champions, stimmt die Zuschauer auf den WM-Fight ein. 13 500 Fans sorgen für die größte Boxkulisse in Deutschland seit 1966. Mit Sprechchören und »la ola« vertreiben sie sich die Zeit bis zum Kampf, verwandeln das Stadion in ein Tollhaus. Dann der große Moment - Gänsehaut bis unter das Hallendach. Zwei moderne Gladiatoren betreten die große Bühne. Der Herausforderer Barkley in geduckter Haltung, die düstere Miene unter der Kapuze verborgen. Ganz in weiß präsentiert sich der Weltmeister seinen Fans. Maske, Liebling der Massen, wird von den Zuschauern schon vor dem ersten Gong stürmisch gefeiert.
Ring frei für die erste Runde: Der Herausforderer wird im Gerry Weber Stadion zum Prügelopfer - ein Boxer ohne Zukunft, ohne Kondition, ohne Konzept. Während die »stumpfe Kinge« blind anrennt, finden Maskes rechte Führhand und sein linker Haken immer wieder ihr Ziel. In der Pause zur zehnten Runde hat der Ringarzt ein Einsehen, beendet das ungleiche Duell. Der Kiefer gebrochen, die Unterlippe aufgeschlitzt, die Augen fast ganz zugeschwollen: Der geschundene Barkley posiert tapfer für ein letztes Foto mit dem »Champ«. Nur der Siegerkranz verrät, dass Henry Maske an diesem Abend geboxt hat. »Sir Henry« strahlt, nicht eine Schramme in seinem Gesicht ist zu sehen.

Artikel vom 15.11.2006