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Staat behält die Hand
auf dem Schienennetz

Einigung ebnet Deutscher Bahn den Weg an die Börse

Berlin (dpa). Nach langem Streit über einen Börsengang der Bahn will die große Koalition den gefundenen Kompromiss nun schnell auf den parlamentarischen Weg bringen. Die Fraktionen von Union und SPD beraten bereits heute über die Grundsatzeinigung für eine Teilprivatisierung des bundeseigenen Konzerns bis 2009.

Die Entscheidung über einen Bundestagsantrag soll dann zwei Wochen später im Plenum im Rahmen der Haushaltsdebatte gefällt werden. Darin soll die Bundesregierung aufgefordert werden, bis Ende März einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Eine Spitzenrunde von Regierung und Koalitionsfraktionen unter Leitung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte gestern die am Vorabend erzielte Einigung. Die Verkehrspolitiker von Union und SPD hatten sich auf eine Teilprivatisierung des letzten großen Staatsunternehmens noch in dieser Wahlperiode verständigt. Dabei soll das Eigentum am Gleisnetz und den Bahnhöfen in der Hand des Bundes bleiben. Der Konzern soll das Netz aber betreiben und kann es auch in der Bilanz führen. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) betonte, der Kompromiss stärke das Unternehmen und nütze auch den Fahrgästen: »Wir haben eine sehr gute Lösung gefunden.«
Die Gewerkschaft Transnet bot derweil mit Blick auf die Einigung an, ihre Streikdrohung zur Durchsetzung der bis 2010 geltenden Job-Garantie befristet auszusetzen. Der Vorsitzende Norbert Hansen will mit Bahnchef Hartmut Mehdorn zusammenkommen, um ein Moratorium zu vereinbaren. »Wir würden uns verpflichten, bis zum Abschluss der Privatisierungsgesetzgebung auf Streiks zu verzichten«, sagte Hansen.
Der Fahrgastverband Pro Bahn begrüßte die Vereinbarung als »echte Chance zur Weiterentwicklung« der Bahn. Von der Opposition kam Kritik. Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn sprach von einer »Begriffsmogelpackung«. Das Ziel, durch Wettbewerb mehr Verkehr auf die Schiene zu bekommen, werde nicht erreicht.
Mit der Einigung beendete die Koalition einen Streit über die Zukunft der Bahn. Union und SPD hatten hart darum gerungen, welchen Einfluss der Bund bei einem Börsengang der Bahn auf das Netz behalten soll. Eine Beteiligung privater Investoren soll dem Konzern frisches Kapital verschaffen.
In einem Vertrag zwischen Bahn und Bund werden Qualitätsziele für die Pflege des 34 000 Kilometer langen Gleisnetzes und Sanktionen bei Verstößen festgelegt. Die Bahn wird befristet mit dem Netzbetrieb beauftragt. Um den ungehinderten Zugang privater Konkurrenten zu sichern, soll die Bundesnetzagentur gestärkt werden. Die bestehende Beschäftigungssicherung bis 2010 und der konzerninterne Arbeitsmarkt werden fortgeführt. S. 4: Kommentar

Artikel vom 10.11.2006