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Staunen über Können
der alten Baumeister

Spannende Entdeckungen bei Sanierung der Ravensburg

Borgholzhausen (SKü). Es gibt Arbeitsplätze, die sind etwas ganz Besonderes. Die Ravensburg zählt dazu. Architekt Andreas Austmeyer und Restaurator Gerd Belk bekommen jedenfalls leuchtende Augen, wenn sie von der Sanierung des Wehrturms berichten.

Denn in den vergangenen Monaten haben der Architekt aus Dissen und der Restaurator aus Fulda spannende Entdeckungen gemacht. Und was die Baumeister der Ravensburg vor mehr als 900 Jahren an Können offenbart haben, lässt auch die Fachleute der Moderne staunen.
Da ist zum Beispiel das bautechnisch anspruchsvolle Kugelgewölbe auf dem Turm. Bislang war man davon ausgegangen, dass der große Baumeister Karl-Friedrich Schinkel (1781-1841) diese Kuppel errichtet hatte. Mitnichten, wie Gerd Belk im Zuge der Sanierung feststellte. Das bis zu 1,50 Meter dicke Gewölbe hatten die Baumeister der ravensbergischen Burgherren bereits gegen 1080 auf den Turm gesetzt. Weil sie aber wussten, dass Regen und Witterung das Gestein angreifen können, schützten sie es mit einer Holzdachkonstruktion. Die Zinnen baute erst Schinkel zwischen 1836 und 1838 auf den Turm. Das entsprach damals dem romantischen Zeitgeist.
Nicht minder spannend ist die Sache mit dem Mörtel. Da können die Restauratoren der Gegenwart von den alten Baumeistern noch richtig was lernen. Denn die wussten, wie ein Fugenmaterial beschaffen sein musste, um ein solch massives Gebäude mit bis zu 4,50 Meter dicken Mauern über Jahrhunderte zusammenzuhalten. Belk erinnert an die große Mauersanierung von 1980/81, als nach dem damaligen Stand der Technik Zementmörtel zum Abdichten aufgetragen wurde. Doch der wirkte wie eine feste Plombe, dahinter wuchsen die Schäden im Mauerwerk.
Mit Hilfe der Bundesumweltstiftung aus Osnabrück wurde der mittelalterliche Mörtel in Labors analysiert. Und es stellte sich heraus, dass genau dieser Mörtel ideal für die Besonderheiten eines Burggemäuers ist. Denn dieser Kalksandmörtel weist die nötige Elastizität auf. So ein Burgturm »arbeitet« nämlich bei thermischer Aufheizung. In heißen Sommermonaten wird das Mauerwerk bis zu sieben Zentimeter breiter. Weil deshalb auch für die Zukunft neue Risse erwartet werden müssen, ist jetzt ein nachhaltiger Pflege- und Wartungsplan erarbeitet worden.
Belk ist jedenfalls nachhaltig beeindruckt von den Fertigkeiten der alten Baumeister. Und die erhaltene historische Substanz der Ravenburg hebt für ihn dieses Bauwerk weit über beispielsweise die Sparrenburg Bielefeld hinaus. Überhaupt sei die Ravensburg eine der bedeutendsten Burgen im ganzen norddeutschen Raum.

Artikel vom 10.11.2006