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Nach dem »Ausflug«
Prozess unterbrochen

Stephanies Peiniger war gestern verhandlungsunfähig

Dresden (dpa). Nach der beendeten Kletteraktion des Stephanie-Peinigers Mario M. auf ein Dach im Dresdner Gefängnis ist der Prozess gegen ihn gestern wegen Verhandlungsunfähigkeit unterbrochen worden.

Sieben Stunden nach seiner Aufgabe war Mario M. gestern Vormittag von sieben vermummten Beamten des Sondereinsatzkommandos und mit Hand- und Fußfesseln in den Saal des Landgerichts geführt worden.
Ein Amtsarzt hatte den 36-Jährigen zuvor untersucht und für nicht verhandlungsfähig erklärt. Der Vorsitzende Richter Tom Maciejewski beendete daraufhin die geplante Verhandlung. Die Sitzung soll nun planmäßig am 21. November fortgesetzt werden. Dem ärztlichen Bericht zufolge hatte der Angeklagte Gleichgewichtsstörungen sowie Müdigkeitserscheinungen.
Mario M. habe bei der knapp 20-stündigen Besetzung des Daches der Justizvollzugsanstalt mit einem Sprung in die Tiefe gedroht, sagte Landespolizeipräsident Klaus Fleischmann. Mit der spektakulären Aktion habe Mario M. verhindern wollen, dass die von ihm selbst gefertigten Videobänder mit einem Großteil seiner Taten im Prozess gezeigt werden. Ferner habe er den Ablauf der Verhandlung stören wollen. Mario M. war - wie berichtet -Ê beim Hofgang am Mittwochmorgen seinen Bewachern entwischt und an einer vergitterten Fensterfront auf ein zehn Meter hohes Hafthaus geklettert. Dort hatte er Polizei und Justiz stundenlang in Atem gehalten und erst gestern Morgen unverletzt aufgegeben.
Minister Mackenroth kündigte an, zu prüfen, wer inner- und außerhalb des Gefängnisses für den Vorfall verantwortlich sei. Die Bilder des auf dem Dach stehenden Täters »vermitteln natürlich den Eindruck, hier verhöhnt der Täter sein Opfer und gibt ihm durch Körpersprache zu verstehen: Ich bin da, ich habe Kontrolle«, sagte Mackenroth. Der Vollzug müsse aber immer darauf achten, dass die Gefangenen unversehrt blieben. Dazu gebe es im Rechtsstaat keine Alternative.
»Das Flachdach war sehr übersichtlich und für einen schnellen Zugriff unserer Beamten nicht geeignet«, erläuterte Polizeichef Fleischmann die Situation. Das Gelände habe es auch nicht erlaubt, Sprungmatten oder Ähnliches auszulegen. »Wir mussten nicht schnell eingreifen, weil anders als bei einer Geiselnahme nur der Gefangene selbst gefährdet war«, sagte Fleischmann. Seinen Angaben zufolge waren am Mittwoch bis zu 150 Polizeibeamte im Einsatz.
Mario M. muss sich seit Montag wegen Vergewaltigung, Geiselnahme, Kinderpornografie und anderer Straftaten vor dem Dresdner Landgericht verantworten. Er hatte zu Verhandlungsbeginn gestanden, die damals 13 Jahre alte Stephanie Anfang 2006 entführt und wochenlang sexuell misshandelt zu haben. Der arbeitslose Anlagenbauer war 1999 wegen schweren Kindesmissbrauchs zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt worden. Nach einem positiven Gutachten kam er nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe auf Bewährung frei.

Artikel vom 10.11.2006