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Zehntausende beim Trauerzug

Beisetzung ziviler Angriffsopfer in Gaza - Druck auf Israel auch aus Paris

Jerusalem/Beit Hanun (dpa/Reuters). Der tödliche Angriff auf 18 Zivilisten im Gazastreifen ist nach israelischer Darstellung auf einen technischen Defekt zurückzuführen. Zehntausende Menschen erwiesen den Toten die letzte Ehre. Unter Rechtfertigungsdruck geriet Tel Aviv gestern auch wegen ungeklärter Scheinangriffe auf französische UN-Soldaten.
»Es war ein technisches Versagen der israelischen Armee«, sagte Ministerpräsident Ehud Olmert. Der folgenschwere Beschuss sei politisch nicht beabsichtigt gewesen. »Es war nicht die Politik.«
Die Toten wurden gestern aus Leichenhallen abgeholt und durch die Straßen der Grenzstadt Beit Hanun getragen. Palästinenser sprechen von einem Massaker und einem »schwarzen Tag« ihrer Geschichte.
Militante Gruppen kündigten Vergeltung an. Die 18 Opfer wurden auf einem neu angelegten Friedhof beigesetzt. Dort markierten Arbeiter zusätzliche Gräber für mögliche weitere Tote.
Bei dem Angriff waren 50 Menschen verletzt worden. Unter den Toten sind auch 13 Angehörige einer Familie. Sieben Kinder und vier Frauen kamen palästinensischen Angaben zufolge bei dem Artilleriebeschuss ums Leben. Israel hatte am Vortag den Tod der Zivilisten bedauert.
In der israelischen Presse löste der Zwischenfall ein geteiltes Echo aus. Israel gelte in der Welt als ein Staat, der schnell schieße, hieß es in einem Kommentar des Massenblatts »Yedioth Ahronoth«. »Ob es stimmt oder nicht. Fakt ist: So ist unser Ruf.« Ein anderer Kommentator äußerte die Ansicht, der Beschuss der Häuser in Beit Hanun sei kein Fehler, sondern eine Katastrophe gewesen. »Es ist ein bedauerlicher Fehler, wenn man jemandem auf die Füße tritt, aber nicht, wenn man elf Mitglieder einer Familie trifft.« In der linksliberalen »Ha'aretz« hieß es: »Diese Gräueltat ist durch nichts zu rechtfertigen.«
Dagegen machte der stellvertretende Verteidigungsminister Ephraim Sneh militante Palästinenser moralisch verantwortlich für den Tod der Zivilisten. Sie hätten Zivilisten für ihre Zwecke zynisch als Schutzschilde missbraucht, sagte Sneh der »Jerusalem Post«.
Im Massenblatt »Ma'ariv« hieß es, angesichts der auf Israel abgefeuerten Raketen sei die israelische Reaktion geboten gewesen. Der Tod der Zivilisten hatte Entsetzen hervorgerufen.
Nach einem »Scheinangriff« israelischer Kampfflugzeuge auf französische UN-Soldaten im Südlibanon verlangt das Pariser Außenministerium von Israel die Einstellung der Aufklärungsflüge über dem Libanon. Außenminister Philippe Douste-Blazy habe dem israelischen Botschafter Daniel Schek »die große Sorge« Frankreichs wegen der Flüge deutlich gemacht, erklärte das Ministerium in Paris. Die Einsatzregeln der Libanon-Truppen der Vereinten Nationen (UNIFIL) müssten aber nicht geändert werden.
Douste-Blazy hatte den Diplomaten ins Ministerium einbestellt, weil am 31. Oktober israelische Flugzeuge nach französischen Angaben einen Scheinangriff auf französische Soldaten der UNIFIL geflogen haben sollen. Die Flugzeuge seien auf französische Stellungen herabgestoßen und scharf nach oben gezogen worden. »Unsere Soldaten haben ganz knapp eine Katastrophe vermieden«, sagte Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie in Paris. Sie hätten sich »in einer Situation der Selbstverteidigung« befunden und »nur zwei Sekunden« vor dem Abfeuern von Luftabwehrraketen gestanden. Frankreich hat seine bisher 1650 Soldaten im Südlibanon trotz israelischer Kritik mit Raketen gegen Tiefflieger ausgestattet.
Die israelische Armee prüft die Vorwürfe aus Paris. Bislang gebe es keine Erkenntnisse und Reaktionen auf die Anschuldigungen, machte eine Militärsprecherin in Tel Aviv deutlich.
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Artikel vom 10.11.2006