08.11.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Heimische Hauptschüler heute im WDR-Fernsehen

Beteiligung an Ausstellung weckte das TV-Interesse

Versmold (mapu). Eine Schulklasse baut eine Ausstellung auf - klingt zunächst nicht nach einem Szenario, das einen Fernsehbeitrag wert ist. Trotzdem schaute gestern Morgen ein Team des WDR vorbei, um die Klasse 10 a/b der Hauptschule beim Aufbau der neuen Ausstellung im Rathaus zu filmen.

Die Beweggründe des Fernsehteams, nach Versmold zu kommen, waren natürlich weniger die Vorgänge beim Aufbau der Stellwände, sondern die Geschichte dahinter. Beim WDR stieß auf Interesse, dass und auf welche Weise sich vermeintlich weniger interessierte Hauptschüler mit einem historischen Exkurs in den Nationalsozialismus beschäftigen können. Erst recht, wenn die Ausstellung »Verfolgung und Verwaltung« heißt und den trockenen Untertitel »Die wirtschaftliche Ausplünderung der Juden und die westfälischen Finanzbehörden« trägt.
Anke Venohr kennt die weit verbreiteten Vorbehalte gegenüber der Hauptschule. »Viele Leute denken: Oh Gott, das ist doch nichts für Hauptschüler«, sagt die Lehrerin der 21 Schülerinnen, die im Sommer einen klassischen Hauptschulabschluss anstreben. »Doch wir behandeln diese Ausstellung nicht unter rein wirtschaftlichen Aspekten, was außer Fachleuten wohl jeden langweilen würde. Wir sehen vielmehr die Menschen dahinter und wecken so Begeisterung«, verspürt Venohr unter den Jugendlichen einen wahren Entdeckungs-Enthusiasmus.
Schließlich lauert die harte, aber lehrreiche Konfrontation mit persönlichen Schicksalen an jeder Ecke der Ausstellung, deren Eröffnung Donnerstag gegen 19 Uhr an den traditionellen Gedenkmarsch zur Reichspogromnacht anknüpft. Allerdings nicht aus der Opfersicht. Dem Ausstellungstitel gemäß überwiegen erschreckende Dokumente, die die skrupellose Bereicherung normaler Bürger am Enteignungselend der Juden belegen. Ein Beispiel: der Antrag von Landarbeiter Paul R., der bereits vor Beginn der Deportationen unverhohlen und offiziell Anspruch auf das »Judenland« seines Nachbarn anmeldete.
Solche Anblicke ziehen auch die Hauptschüler in den Bann. Zumal sie für Antisemitismus und Fremdenhass im Rahmen ihres Prädikats »Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage« besonders sensibilisiert sind. »Unsere Schule trägt diesen Titel nicht nur, sie lebt ihn tagtäglich vor«, bekräftigt Anke Venohr. Daher seien ihre Schüler dem Vorschlag von Stadtarchivar Dr. Richard Sautmann, die Ausstellung mit aufzubauen, auf Anhieb euphorisch begegnet. Ihr Engagement geht jedoch darüber hinaus: Die Zehntklässler wollen jüngeren Mitschülern eine verständliche Führung durch die Informationsfülle bieten. Sechs von ihnen halten sogar persönlich eine öffentliche Rede vor den Teilnehmern des Gedenkmarsches.
Anke Venohr hat derweil einen noch spannenderen Auftritt. Die Klassenlehrerin soll als Studiogast in der WDR-»Lokalzeit« zu sehen sein, wo heute zwischen 19.30 Uhr und 20 Uhr auch der gestern gedrehte Beitrag gesendet wird.

Artikel vom 08.11.2006