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»Wir singen so lange,
bis wir etwas bekommen«

Festliche Zeit - Weihnachten bei anderen Nationen

Für die Kenianerin Virginia Greiner beginnt Weihnachten schon lange vor Heiligabend. Wie Menschen aus vielen anderen Nationen, die in Deutschland leben, hat sie ihre heimatlichen Weihnachtsbräuche mitgebracht.

»Wir nutzen die Adventszeit für einen Rückblick auf das vergangene Jahr«, sagt die in Frankfurt lebende Christin. In dieser Zeit schmelzten Glück und Verlust zusammen und man trauere um diejenigen, die man verloren habe. »Wir beten sehr viel im Advent und danken, dass es uns gut geht.«
Die 47-jährige Kenianerin feiert Heiligabend mit ihrer Familie. »An dem Tag sammeln wir Essen und Geschenke für Bedürftige aus unserem Kreis, die keine Familie haben, mit der sie Weihnachten zusammen sein können.« Bei ihren Freunden geht Virginia Greiner von Tür zu Tür, um Gaben zu erbitten. »Das ist bei uns Kenianern so Brauch. Wir singen so lange vor der Tür, bis wir etwas bekommen.«
Eigentlich werde bei den Kenianern Weihnachten erst am 25. Dezember gefeiert. »Das haben wir von den Engländern übernommen, die lange Zeit Kolonialherren von Kenia waren.« In ihr kenianisches Weihnachtsfest hat Virginia auch deutsche Bräuche aufgenommen: »Natürlich kommt der Weihnachtsmann auch zu uns. Aber unsere Familie ist so groß, dass wir Lose ziehen und jeder die zugeteilte Person beschenken muss«, sagt die Mutter von fünf Kindern.
Für die Polin Barbara Sawczuk ist die Geburt Christi ein besinnliches, traditionsreiches Fest. »Bevor wir uns Heiligabend an den Esstisch setzen, brechen wir eine gesegnete Oblate miteinander und wünschen uns alles Gute für das kommende Jahr«, sagt die 66-jährige Katholikin. Normalerweise fange man mit dem Essen an, wenn der erste Stern am Himmel erscheint. »Ich war aber noch nie so schnell mit allem fertig, dass wir pünktlich beginnen konnten«, gibt Sawczuk zu.
Auf dem Tisch stehe bei den Polen an Heiligabend immer ein Gedeck mehr - »Falls ein Fremder mit uns speisen will. Normalerweise haben Polen zwölf fleischlose Speisen auf dem Weihnachtstisch«, sagt Barbara Sawczuk. Bei ihrer Familie gebe es beispielsweise eine Rote-Bete-Suppe sowie »Pierogi«, mit Sauerkraut und Pilzen gefüllte Teigtaschen. »Ich selbst komme aus Schlesien, deswegen sind die Sitten bei uns etwas vermischt«, sagt sie.
Mohamed Hadhoud aus Frankfurt feiert Weihachten, obwohl er eigentlich Muslim ist. »Ich bin mit einer Katholikin verheiratet«, erklärt der Ägypter. Auch in seinem Heimatland feierten die Muslime gemeinsam mit den Christen. »Als ich klein war, haben uns meine Eltern an Weihnachten immer neue Kleider gekauft, damit wir mit den anderen mithalten konnten.« Bei Familie Hadhoud werde auf die deutsche Art gefeiert. »Wir essen meistens eine schön gebratene Ente«, sagt der Ingenieur und schmunzelt, »nur gewürzt wird sie ein bisschen ägyptischer«.
Bei der Brasilianerin Betania Arcanjo fängt ein traditioneller Heiligabend mit dem Kirchgang an. Zuvor müssten die Brasilianer noch arbeiten, denn frei gebe es nur am 25. Dezember. »Um Mitternacht essen wir mit der ganzen Familie«, sagt Arcanjo, die seit neun Jahren in Deutschland lebt. Es gebe Reis mit Rosinen, Bohnen und anderem Gemüse. Die eigentliche Feier beginne am nächsten Tag. Mit Nachbarn und Freunden werde getanzt, gesungen und getrunken. Die Brasilianerin sagt: »Ich mag deutsche Weihnachten mehr. Es ist so ruhig, während es in Brasilien eher laut zugeht.«
Weihnachten ist für die Israelin Rachel Ganor ebenfalls eine festliche Zeit. »Wir Juden haben zwar kein Weihnachten, aber das Lichterfest Chanukka, das jedes Jahr um die gleiche Zeit gefeiert wird«, erzählt sie. Die Bräuche seien ähnlich wie beim christlichen Fest. »Man kommt zusammen, beschenkt sich und denkt an die alte Kultur.« Dennoch dürften ihre drei Kinder an Weihnachtsfeiern in ihren Schulen in Frankfurt teilnehmen. »Wir müssen tolerant sein und lernen, wie die anderen feiern.«
Für die Amerikanerin Margo Cullen bedeutet Weihnachten das Wiedersehen mit ihrer Familie. »Wir wohnen in Wiesbaden und meine Kinder in Amerika. Aber an Weihnachten sind wir meistens zusammen.« In ihrem Heimatland ist der 25. Dezember der wichtigste Tag. »Es ist der einzige Tag im Jahr, an dem alle Läden, sogar McDonalds, geschlossen sind.« Die Essgewohnheiten hat die 58-Jährige jedoch von ihren deutschen Vorfahren übernommen: »Die Amerikaner essen normalerweise Schinken, aber bei uns kommt am Weihnachtstag immer Sauerbraten auf den Tisch.«

Artikel vom 23.12.2006