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Börsenzug wird abgebremst

Christoph Schlienkamp, Experte beim Bankhaus Lampe, im Gespräch

Von Bernhard Hertlein
Düsseldorf (WB). »Luft nach oben ist noch da«, sagt Christoph Schlienkamp, Börsenexperte des Bankhauses Lampe. »Aber die Luft wird jetzt knapper.« Für die erste Jahreshälfte 2007 erwartet er einen Rückgang des Börsenindex Dax auf 5800 bis 6000 Punkte.
Christoph Schlienkamp rät ein bisschen zur Vorsicht.
In der Zeit davor jedoch, also etwa bis Jahresende 2006, könnte die gute Stimmung an der Börse durchaus noch anhalten. Von Jahresbeginn bis heute kletterte der Dax bereits von 5450 auf knapp 6300 Punkte. »6500 sind durchaus drin«, meinte Schlienkamp gestern im Gespräch mit dieser Zeitung. Risikobewussten Anlegern, »wie sie für Ostwestfalen-Lippe typisch sind«, sollten jedoch lieber nicht versuchen, noch auf den fahrenden Zug aufzuspringen und blindlings die letzten Euro an einem möglichen Kursgewinn mitzunehmen.
Neben dem »überraschend guten« Konjunkturverlauf und den vielen guten Unternehmensergebnissen brachten Schlienkamp zufolge in diesem Jahr vor allemÊBerichte, Gerüchte und echte Kämpfe um Firmenübernahmen Phantasie ins deutsche Börsengeschehen. Offensichtlich gelte dies für die gesamte Bankenlandschaft, für MAN/VW und den Versuch, Scania an die eigenen Lkw-Aktivitäten anzuhängen, für die Veränderungen bei Linde sowie für den Chemiebereich (Bayer, Schering, Merck). Die Probleme von Daimler mit seiner Tochterfirma Chrysler zeigten jedoch einmal mehr, dass es kein Naturgesetz gebe, das den Erfolg bei Übernahmen gesetzlich garantiere.
Die Fragezeichen, die nach Ansicht des Experten des zur Bielefelder Oetker-Gruppe gehörenden Bankhauses Lampe 2007 eine Unterbrechung der Börsenhausse befürchten lassen, rühren zum einen von der Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland und zum anderen von der Ungewissheit, wie sich die Welt- und vor allem die US-Wirtschaft entwickeln werden. Verstärkt werden könne die Unsicherheit noch durch die Entwicklung des Ölpreises und das Verhalten der Europäischen Zentralbank.
Gefragt nach Branchenkonjunkturen, sagte Schlienkamp: »Diese gibt es derzeit nicht.« Man müsse schon das einzelne Unternehmen genau unter die Lupe nehmen.
Hinsichtlich der Aktie des Bad Oeynhausener Handyausrüsters sei ein Engagement »schon wegen der strategischen Unklarheiten« nicht anzuraten. Gerüchte um Übernahmeangebote sollten nicht von den strukturellen Problemen ablenken, in denen das Unternehmen stecke.
Strukturell gut aufgestellt sei dagegen weiterhin die Paderborner Wincor Nixdorf AG. Allerdings habe die Aktie schon einen hohes Level erreicht.
Die Perspektiven, die Gildemeister für sich sehe, seien verlockend. Allerdings habe der Bielefelder Maschinenbauer in der Vergangenheit nicht immer alle Erwartungen auch erfüllen können.
Große Stücke hält Schlienkamp auf Gerry Weber. Die Vororders, die das Haller Modeunternehmen erzielt hat, rechtfertigten immerhin ein Kursziel von 20 Euro. An der Börse wird die Aktie derzeit erst mit 16 Euro bewertet.

Artikel vom 07.11.2006