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»Das ist doch
reine Abzocke«

Für 300 Jahre alten Namen zahlen

Von Wolfgang Wotke
Gütersloh-Isselhorst (WB). Kneipe, Bäckerei, Drogerie, Bank - seit mehr als 300 Jahren ist die Gaststätte »Zur Linde« fest in Isselhorst verwurzelt. Doch nun soll Eigentümer Rolf Ortmeyer den Namen ändern. Oder viel Geld bezahlen, um den Traditionsbetrieb weiterhin »Zur Linde« nennen zu dürfen. Die Abmahnung eines Rechtsanwaltes flatterte ihm jetzt ins Haus.

»Das ist eine Unverschämtheit und reine Abzocke«, wettert Ortmeyer (52). Immerhin trägt die Gaststätte den Namen bereits seit elf Generationen. »Hier haben sich schon Prominente wie Konrad Adenauer, Reinhard Mohn oder Dr. August Oetker ihre Schinkenbrote schmecken lassen. Soll ich mein uriges Gasthaus demnächst in ÝZur TanneÜ umtaufen?«
Hintergrund der Aufregung ist ein Schreiben des Rechtsanwalts Gert-Joachim Geitner mit Kanzleisitz in Erfurt. Der Jurist verschickte im Auftrag des Vereins »Gaststätten- und Hotellerieverband Zur Linde« bundesweit Abmahnungen. Damit sollen die Inhaber sämtlicher Kneipen, Bistros, Bars und Restaurants, die den Namen »Zur Linde« tragen, zur Kasse geben werden. In Deutschland gibt es davon immerhin 1331. Die Begründung des Anwalts: »Sie haben es leider versäumt, ihren Firmennamen markenrechtlich schützen zu lassen. Doch für 597,40 Euro, plus 81,43 Euro Gebühren, dürfen sie den Namen 30 Jahre lang weiterführen.« Zahle Ortmeyer nicht, drohten ihm rechtliche Konsequenzen. Der von Geitner vertretene Verein hat den Namen »Zur Linde« erst vor drei Jahren beim Deutschen Patent- und Markenamt schützen lassen.
»Man stelle sich vor, ich müsste dann Außenwerbung, Quittungs- und Rechnungsformulare, Stempel, Flyer, Servietten oder gar Hauswäsche ändern lassen. Das wäre finanziell fatal«, sagt der erfahrene und beliebte Gastronom aus Isselhorst. Jedenfalls zahlen will er auf keinen Fall. Ortmeyer: »Als ich den Brief des Rechtsanwalts öffnete, war das zuerst für mich wie ein Niederschlag. Aber dann habe ich angefangen nachzudenken.« Er habe sich umgehend an Rechtsanwalt und Geschäftsführer Thomas Keitel vom ostwestfälischen Hotel- und Gaststättenverband gewandt. Und der habe sofort zusammen mit dem Bundesverband reagiert und einen Löschungsantrag für die Marke »Zur Linde« beim Patent- und Markenamt in München gestellt. Thomas Keitel zum WESTFALEN-BLATT: »Zwar spielt das Markenrecht heute eine größere Rolle als noch vor einigen Jahren. Doch dieser Fall hat keine Chancen.« Wie viele »Linden-Wirte« in Deutschland das Geld schon bezahlt haben, ist nicht bekannt.

Artikel vom 07.11.2006