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Grüne suchen »Wirtschaftsweg«

Kongress mit Fritz Kuhn - »mehr Wettbewerb, mehr Unternehmen«

Kreis Gütersloh (dibo). Die Grünen wollen endgültig raus aus der Ecke einer - zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung - nur auf Umweltpolitik beschränkten Partei, deren wirtschaftspolitisches Profil bislang so unklar war wie eine Milchglasscheibe. Doch wie sollen »die neuen Wege Grüner Wirtschaftspolitik« aussehen? Ein Kongress zu »Rahmenbedingungen für eine innovative Wirtschaft« in der Gütersloher Volksbank-Hauptstelle sollte Orientierung bringen.

Eingeladen hatten am Samstag der Grünen-Kreisverband Gütersloh, der Bezirksverband OWL sowie der Landesverband, die für die bis in den Abend hinein dauernde Veranstaltung auch ihren Fraktionschef im Deutschen Bundestag, Fritz Kuhn, hatten verpflichten können (siehe WB-Interview von Freitag, 3. November). Etliche Themen galt es zu verdauen, Workshops wie »Reform der Unternehmensbesteuerung«, »Welthandelsrecht - das Recht des Stärkeren«, »Kombilohn, Grundsicherung Niedriglohn - der Weg aus der Misere?« oder »Welche Bildung braucht die Wirtschaft und soll sich die Politik daran orientieren« standen auf dem Terminplan. Das Interesse an dieser Auftaktveranstaltung zu mehreren Regionalkongressen, die der »politischen Profilschärfung« dienen, war mit 130 Teilnehmern groß und der Veranstaltungssaal in der Volksbank voll besetzt.
Ohne geballten Fachverstand konnten die Grünen diesen Tag nicht abhalten. Unter den Referenten fanden sich mit Prof. Dr. Ulrich van Suntum (Uni Münster) und Prof Dr. Heinrich Bontrup (FH Gelsenkirchen) zwei Vertreter von ausgesprochen gegensätzlichen Sichtweisen. Bontrup, der streitbare linksalternative Ökonom und Mitverfasser sowie Herausgeber des Gegengutachtens der AG Alternative Wirtschaftspolitik zum Sachverständigenrat der Bundesregierung hat sich den Leitsatz »Demokratisierung der Wirtschaft statt Staatsmonopolismus gegen die lohnabhängige Arbeitnehmerklasse« auf die Fahnen geschrieben. Van Suntum glaubt dagegen, dass in Deutschland die Wirtschaft viel zu stark vom Staat gelenkt und in ihrer Dynamik beeinträchtigt wird.
Fritz Kuhn positioniert die Grünen weder auf der einen noch auf der anderen Seite - »da wären wir verratzt«. Die Wirklichkeit könne man nicht nach Schema F abhandeln. Sein Credo: »Grüne Marktwirtschaft - mehr Wert durch mehr Wettbewerb, mehr Unternehmen und einen aktiven Staat«. Deutschlands Zukunft auf dem Weltmarkt und in Konkurrenz zu den Billiglohnländern sieht Kuhn unter anderem in der Erzeugung von Produkten und Dienstleistungen, die es woanders nicht gibt. Das allerdings setze eine Bildungsrevolution voraus.
Das Abschlusspodium am Kongresstag drehte sich um die Frage: »Grüne Politik und Wirtschaft - kuscheln oder kämpfen?« Matthias Berninger, MdB: »Wir brauchen den Mut, zum Wettbewerb zu stehen«.

Artikel vom 06.11.2006