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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann

Hans-Jürgen Feldmann ist Pfarrer im Ruhestand.

Als Geschichtserzählung unterscheidet sich die Bibel von vergleichbarer Literatur ihrer Zeit vor allem dadurch, daß sie von ihren handelnden Personen ein realistisch nüchternes Bild entwirft, ohne ihre Mängel zu beschönigen oder sie gar zu Halbgöttern zu machen. Darin bilden auch die bedeutendsten Figuren -Ê wie König David -Ê keine Ausnahme.
Dieser kommt als Soldat und Harfenspieler an den Hof Sauls, wird dessen Schwiegersohn und Freund seines Sohnes Jonathan, gilt aber bald als heimlicher Rivale des Königs und muss sich deshalb in Sicherheit bringen. Er sammelt Freischärler um sich, besteht mancherlei Abenteuer, verbündet sich zeitweise mit den mächtigen und kriegserfahrenen Feinden, den Philistern, um am Ende selbst den Thron zu besteigen, wozu ihn Samuel (vgl. WB vom 21. Oktober 2006) ja längst gesalbt hatte.
David hat mehrere Frauen, ohne daß die Bibel ihm das übelnimmt. Die Einehe ist zu seiner Zeit eben noch nicht die Regel. Dennoch soll ihm seine Schwäche für das schöne Geschlecht zum Verhängnis werden: Eines Abends erblickt er -Ê nun schon auf dem Höhepunkt seiner Macht - von seinem Dachgarten eine attraktive Dame beim Bade, die er sofort leidenschaftlich begehrt und zu sich rufen läßt. Die Begegnung indessen bleibt nicht ohne Folgen; die Frau -Ê Bathseba geheißen und leider verheiratet -Ê wird schwanger.
Daß er sie geschwängert hat, muß aber erst einmal herauskommen, kalkuliert David und hofft, mit einiger List den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Uria, Bathsebas Mann, ein Offizier im Felde, soll Heimaturlaub bekommen und wird zu diesem Zweck nach Jerusalem zurückkommandiert. Damit alles unverdächtig erscheint, bestellt man ihn zunächst zum Rapport beim König, der ihn mit einem Geschenk entläßt. Ob dies ein taktischer Fehler war, der Uria mißtrauisch stimmt, bleibt offen. Jedenfalls ist er nicht dazu zu bewegen, zu seiner Frau ins Haus zu gehen und mit ihr die Nacht zu verbringen. Er bleibt bei der Garnison, mit der Begründung: Ich will es nicht besser haben als meine Kameraden draußen an der Front.
Auch ein zweiter Versuch, eine persönliche Einladung beim König am nächsten Abend, schlägt fehl. Der Wein sollte die Prinzipien Urias ins Wanken bringen. Doch der bleibt auch diesmal stur, und das wird sein Unglück. Es wäre nicht mehr zu vertuschen, daß das Kind, welches Bathseba erwartet, nicht von Uria ist. Als dieser Tags darauf zu seiner Truppe zurückkehrt, hat er sein eigenes Todesurteil in Form eines Briefes in der Tasche. Sein Oberbefehlshaber Joab nämlich soll ihn beim nächsten Angriff so einsetzen, daß er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fällt. Joab fragt sein eigenes Gewissen nicht weiter, als er diesen Befehl erhält und schickt seinen Offizier tatsächlich in den Tod.
Damit scheint die Sache aus der Welt. David bekommt die Hände frei, um Bathseba nach angemessener Frist zu heiraten. Doch wie läßt sich weiterleben mit einer Leiche im Keller? Das ist die Frage, die das Stück bis dahin provoziert. Ist es abgeschlossen, oder geht es weiter, und wie geht es dann weiter? Man erfährt nichts darüber, ob David sich nachts schlaflos im Bett wälzt, weil er das Bild nicht los wird, wie einer, vom Pfeil getroffen, sich in Schmerz und Todesnot verkrampft, bis er sterbend zusammenbricht. Vielleicht aber bringt er es mit der Zeit fertig, dem Schatten seiner Vergangenheit zu entfliehen und nicht daran zu zerbrechen.
Die Bibel indessen geht davon aus, daß sich nichts von selbst erledigt und daß über eine Sache nicht einfach Gras wächst. Es können allerdings Jahre vergehen, bis etwas neu zur Verhandlung kommt und einer Lösung zugeführt wird. Eine solche sieht allerdings manchmal anders aus, als Menschen sie sich in ihrem Schwarz-Weiß-Denken vorstellen und ausmalen. Denn Gott sorgt für Überraschungen und setzt schöpferische Impulse. Auch König Davids Geschichte hat noch eine Fortsetzung, und dieser soll sich noch wundern.

Artikel vom 04.11.2006