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»Fantrennung ist das A und O«

Im Gespräch: Volker Geißler - szenekundiger Beamter in Bielefeld

Bielefeld (WB). Die jüngsten Ausschreitungen in deutschen Stadien haben den Deutschen Fußball-Bund und die Deutsche Fußball-Liga aufgeschreckt. Über die Gefahr solcher Eskalationen in Bielefeld, Feuer im Fanblock und die Verantwortung der Vereine gab Volker Geißler, szenekundiger Beamter in Bielefeld, Dirk Schuster Auskunft.
Bielefelder Fan-Fachmann: Volker Geißler.

Fan-Ausschreitungen bei Spielen der zweiten Liga und der Oberliga haben DFB und DFL auf den Plan gerufen. Schwappt eine neue Gewaltwelle über Fußball-Deutschland, Herr Geißler?Volker Geißler: Ich sehe eher ein regionales als ein bundesweites Problem. In Bielefeld haben wir zurzeit keine Schwierigkeiten. Im Osten sieht das etwas anders aus. Dort kommt es wegen der Vielzahl traditionsreicher Klubs schon in der Oberliga zu etlichen brisanten Partien. Das Gefahrenpotenzial ist viel größer.

Unlängst gastierte in Energie Cottbus der einzige Erstliga-Ostklub in Bielefeld. Gab's mehr Zwischenfälle als üblich?Geißler: Zugegeben, es war im Vergleich zu den anderen Heimspielen schon ein etwas brisanterer Einsatz, doch im Großen und Ganzen blieb es friedlich.

Es fällt auf, dass es in niedrigeren Klassen häufiger zu Zwischenfällen kommt als bei Erstligaspielen. Woran liegt's?Geißler: Ab Oberliga abwärts hat der DFB kaum Möglichkeiten, auf die Sicherheitspolitik der Verbände und Vereine einzuwirken. In unserer Region ist dann der Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen gefordert. Aber der FLVW ist noch nicht so weit, verfügt nicht über die materiellen und finanziellen Möglichkeiten wie der DFB. Statt ausgebildeten Security-Kräften bilden auf Amateursportplätzen oft Rentner und Jugendliche den Sicherheitsdienst. Die Fans wissen das natürlich und nutzen die Plattformen, um auf sich aufmerksam zu machen.

Wie ist dem entgegenzuwirken?Geißler: In den unteren Amateurligen, in dem sich die Vereine in Eigenregie um effiziente Ordnungskräfte bemühen. Von der Oberliga aufwärts, in dem mehr Zeit, Personal und Geld in die Arbeit der Fanprojekte investiert wird. Außerdem ist ab Oberliga ein professioneller Sicherheitsdienst erforderlich. Der kostet die Vereine natürlich Geld. Aber die Polizei pumpt ohnehin schon reichlich Personal in die Arbeit bei Fußballspielen, und das geht zu Lasten des Steuerzahlers.

Beim Oberligaspiel Preußen Münster gegen Arminia Bielefeld II Anfang September hat es aller Ordnungskräfte und Polizisten zum Trotz in beiden Fanblöcken Feuer gegeben. Wie kam's?Geißler: Auslöser war die Verbrennung einer Arminia-Fahne durch die Preußen-Fans. Das war inszeniert, die Arminia-Anhänger fühlten sich provoziert. Dadurch ist die Situation gekippt. Münster hatte das Hausrecht, hätten die Ordnungskräfte den Brand sofort gelöscht, wäre die Eskalation vielleicht zu verhindern gewesen. Das Spiel wird jedenfalls noch immer intensiv aufgearbeitet.

Es wird ja auch noch ein Rückspiel geben, vermutlich in der SchücoArena. Wie wird sich die Polizei darauf vorbereiten?Geißler: Im Vorfeld durch zahlreiche Gespräche mit beiden Vereinen, deren Fanbeauftragten, dem Sicherheitsdienst. Am Spieltag ist die Fantrennung das A und O. Bielefelder Ultras und Hooligans dürfen nicht mit denen aus Münster aneinandergeraten. Beide Fangruppen verbindet eine traditionelle Feindschaft. Alle Beteiligten müssen intensiv dazu beitragen, Feindbilder abzubauen. Wie vor jedem Bundesliga- wird es auch vor diesem Oberligaspiel eine Lageeinschätzung geben. Wir wollen agieren, nicht reagieren.

Wie groß ist die Gefahr, dass es bei einem Fußballspiel in Bielefeld zu Szenen kommt, wie sie zuletzt in Berlin, Pforzheim oder Augsburg zu sehen waren?Geißler: Solche Randale ist in Bielefeld nicht zu befürchten. Um das Risiko zu minimieren, sind die Engländer noch einen Schritt weiter gegangen. Dort sind die Eintrittspreise so hoch, weil die Vereine viel Geld in professionelle Ordnungsdienste investieren. Der Stadionbesucher zahlt also für seine Sicherheit einen Aufpreis.

Artikel vom 01.11.2006