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Bei Kevin haben
alle versagt

DNA-Test: 41-Jähriger ist nicht der Vater

Bremen (dpa). Im Fall des toten Kevin (2) hat der Bremer Justizstaatsrat Ulrich Mäurer den Behörden in der Hansestadt massive Fehler nachgewiesen.

Der Tod des Jungen hätte verhindert werden können, wenn beteiligte Stellen die Vorschriften zum Umgang mit Kindern drogenabhängiger Eltern beachtet hätten, sagte Mäurer am Dienstag. In einer Untersuchung über Abläufe und Zusammenhänge dokumentierte er gravierende Fehler von Mitarbeitern des Sozialamtes. »Es gab viele, die diese Entwicklung hätten verhindern können.« Das System der Sozial- und Jugendhilfe habe versagt.
Der Tod des zweijährigen Kevin hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst und zum Rücktritt der Bremer Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) geführt. Der Junge stand unter Vormundschaft des Bremer Jugendamtes. Am 10. Oktober hatten Polizisten seine Leiche im Kühlschrank des 41 Jahre alten Drogensüchtigen gefunden, der bislang als Kevins Vater galt. Inzwischen hat eine DNA-Analyse ergeben, dass er nicht der leibliche Vater ist. Der Mann sitzt in Untersuchungshaft, weil er im dringenden Verdacht steht, den Jungen getötet zu haben.
Ermittlungen hatten ergeben, dass Kevin gegen den Rat von Experten bei dem Drogensüchtigen lebte, gegen den schon früher im Zusammenhang mit dem bislang ungeklärten Tod von Kevins Mutter im November 2005 ermittelt wurde. Diese Ermittlungen würden demnächst aber eingestellt, sagte Mäurer. Die Staatsanwaltschaft habe keine Hinweise auf ein Fremdverschulden bei dem Tod der Mutter gefunden. Er könne mit ihrem schlechten Gesundheitszustand erklärt werden.
Als größten Fehler attestierte Mäurer die Grundentscheidung der Behörden, Kevin bei der Mutter und ihrem Freund zu lassen. Es habe keine Sanktionen gegen die beiden Drogensüchtigen gegeben, obwohl sie immer wieder gegen Auflagen verstoßen hätten oder mit dem Gesetz in Konflikt gekommen seien. Ärzte hätten zudem den Zustand des Kindes als »sehr erbärmlich« beschrieben. »Das Fatale daran war, dass nie Konsequenzen gezogen wurden«, kritisierte Mäurer. Es habe trotz klarer Vorgaben massiv an der Umsetzung gehapert. Das Kind sei in den Akten der Eltern nicht vorgekommen, sagte Mäurer: »Ich glaube nicht, dass Sachbearbeiter Kevin jemals gesehen haben«.
Hamburger Spezialisten sollen jetzt die Todesumstände des schwer misshandelten Kindes klären, nachdem die Rechtsmedizin in Bremen trotz wochenlanger Untersuchungen keine genaue Todesursache feststellen konnte.

Artikel vom 01.11.2006