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Ausstellung gibt
Denk-Anstöße

Spätaussiedler Thema im Museum

Versmold (OH). Der Blick geht nicht nur zurück in die Geschichte, sondern die Beschäftigung mit der Gegenwart und das Bemühen um eine gute Zukunft zeichnen die neue Ausstellung im Versmolder Heimatmuseum aus. Seit gestern skizzieren unter dem Titel »Kennenlernen -ÊDeutsche in Osteuropa« Bilder, Grafiken und Texte auf Stellwänden den wechselvollen Weg deutscher Vorfahren nach Osten und die Rückkehr heutiger Generationen.

Die Leihgabe des Deutschen Volkshochschulverbands soll durchaus den Anstoß geben, über das Zusammenleben mit und die Integration von Spätaussiedlern nachzudenken. Diesen Gedanken griff stellvertretender Bürgermeister Günter Uhlmann in seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung am Sonntag auf. »Es gab und gibt Spannungen mit Deutschen aus Osteuropa. Um im differenzierten Miteinander eigene Werte und Fehler zu erfahren, ist das Kennenlernen der richtige Weg und die Voraussetzung einer eigenen Bewertung. Diese Ausstellung trägt dazu bei«, sagte Uhlmann.
Stadtarchivar Dr. Richard Sautmann fasste vor 30 Zuhörern die historischen Hintergründe zusammen. Viele Deutsche seien zu Zeiten Katharinas der Großen vor mehr als 200 Jahren nach Russland gezogen -Êin der Hoffnung, dort bessere Lebensbedingungen vorzufinden als in von Kriegen gezeichneten Landstrichen des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Anfangs sei das auch der Fall gewesen. Sautmann: »Die Deutschen in Russland wurden vergleichsweise wohlhabend. Dieser Wohlstand sollte aber noch mehrfach zu Problemen führen.«
Im 19. Jahrhundert seien die deutschen Nachbarn im Vielvölkerstaat Russland zu Fremden geworden, während des ersten Weltkrieges zu Feinden. Es kam zu Zwangsumsiedlungen, Deutsch als Unterrichts- und Verwaltungssprache wurde verboten. Zusehends hätten die Deutschen in Osteuropa »als erste die Rechnungen zahlen müssen, die die Deutschen im Westen aufgemacht hatten«. Unter Stalins Herrschaft seien viele von der Zwangskollektivierung der Ländereien betroffen gewesen. 1941 habe dann die Zeit der großen Deportation eingesetzt. »Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges begann für die Deutschen in Russland eine zehnjährige Haftzeit mit Strafarbeit«, erklärte Sautmann. Offiziell habe es danach geheißen, es gebe in Russland keine Deutschen. Es waren aber mehr als zwei Millionen, die diese Staatsbürgerschaft nach wie vor auch in ihren Pässen trugen.
»Erst mit dem Mauerfall wurde es gefahrlos möglich, in den Westen auszureisen. In eine Welt, die mit der Heimat der Vorfahren nichts mehr gemein hatte«, stellte Sautmann fest. »Wir haben jetzt die Herausforderung, sie als Nachbarn zu begrüßen. Sicherlich können wir uns wünschen, dass sie sich unserer Kultur annähern und auch Deutsch lernen. Wir wiederum sind gefordert, sie und ihre Geschichte zu respektieren und kennen zu lernen«, forderte der Historiker auf. »Es ist toll, dass das Heimatmuseum sich dieses Themas annimmt, das nicht leicht ist.«
Freude herrschte auch bei Karl-Heinz Niebrügge, der einige Spätaussiedler gezielt eingeladen hatte, die auch gekommen waren. »Das Heimatmuseum ist nicht nur ein Ort für Ur-Versmolder, sondern auch einer für Zugereiste«, sagte Niebrügge. Er wünschte sich, dass »für unsere neuen Nachbarn Versmold zu einer Heimat wird oder es sogar schon geworden ist.«
Die Ausstellung im Heimatmuseum an der Speckstraße ist bis zum 26. November mittwochs von 14 bis 17 Uhr und sonntags von 11 bis 17 Uhr zu sehen.

Artikel vom 30.10.2006