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Jung räumt Beschränkung beim
Libanon-Einsatz der Marine ein

Sondersitzung des Verteidigungsausschusses - Zwischenfall ungeklärt

Berlin (dpa). Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat am Freitag eingeräumt, dass die Bewegungsfreiheit der deutschen Marine vor der libanesischen Küste doch eingeschränkt ist.
Die Fregatte »Karlsruhe« (r.) und der Einsatzgruppenversorger »Frankfurt am Main« gehören zu dem aus acht deutschen und drei dänischen Schiffen bestehenden Verband, der in den nächsten Monaten das Seegebiet vor Libanon überwachen und eventuelle Waffenlieferungen in den Libanon unterbinden soll.

Jung sagte nach einer kurzfristig einberufenen Sitzung des Verteidigungsausschusses in Berlin, deutsche Schiffe könnten nur in die 6-Meilen-Zone eindringen, wenn sie ein anderes Schiff verfolgten oder ein anerkannter Verdacht des Waffenschmuggels für die extremistische Hisbollah bestehe.
Gebe es keinen solchen Verdacht, könne ein deutsches Schiff nur auf Anforderung der Libanesen in diese Zone fahren. Für schnellere Absprachen sei ein libanesischer Verbindungsoffizier an Bord des Führungsschiffes.
FDP-Chef Guido Westerwelle sprach von einem »außerordentlich kapitalen, ernst zu nehmenden Vorgang«. Geklärt werden müsse, ob die Regierung vorsätzlich oder fahrlässig wesentliche Angaben verschwiegen habe. Der Bundeswehreinsatz dürfe nicht in einer Grauzone stattfinden.
Viele Abgeordnete hätten bereits erklärt, unter diesen Voraussetzungen hätten sie dem Mandat nicht zugestimmt. Ein parlamentarisches Nachspiel sei unvermeidlich.
Nach einem Papier des Verteidigungsministeriums ist die Handlungsfähigkeit der deutschen Marine in der Sechs-Meilen-Zone vor der libanesischen Küste entgegen den Regierungsangaben eingeschränkt. »Operationen auf Anforderung Libanons in den TTW (territorialen Gewässern) zwischen null und sechs Seemeilen sowie Boarding/Beschlagnahme durch libanesische Kräfte oder in deren Beisein«, heißt es in dem Bericht.
Die ursprünglich vom Libanon geforderte Sechs-Meilen-Sperrzone war der Knackpunkt bei den Verhandlungen über den Einsatz der deutschen Marine. Am 13. September hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Franz Josef Jung erklärt, die Sechs-Meilen-Sperrzone sei vom Tisch. »Wir können den gesamten Bereich befahren«, hatte Merkel gesagt. Libanesische Verbindungsoffiziere hätten kein Veto-Recht beim Einsatz gegen verdächtige Schiffe. Die Kontrolle von Schiffen solle gegen den Widerstand der Besatzung möglich sein.
Auch nach einem Telefonat zwischen dem deutschen und israelischen Verteidigungsminister bleiben beide Seiten bei ihren unterschiedlichen Versionen eines Luftzwischenfalls vor der libanesischen Küste.
In den Vorfall war offenbar auch der deutsche Kommandeur der UN-Seestreitkräfte in der Region, Flottillenadmiral Andreas Krause, verwickelt. Der Sprecher des Bundesverteidigungsministerium, Thomas Raabe, sagte am Freitag in Berlin, Krause sei am Dienstag in einem Hubschrauber unterwegs gewesen, den die Israelis nach eigenen Angaben zunächst nicht hatten identifizieren können.
Nach deutscher Darstellung hatten sechs israelische Kampfflugzeuge vom Typ F-16 das Flottendienstboot »Alster« in nur 500 Meter Höhe überflogen. Dabei hätten sie Wärmetäuschkörper abgeworfen und zwei Schüsse abgefeuert. Nach israelischer Schilderung war nahe der Kampfflugzeuge und unweit israelischer Hoheitsgewässer ein Hubschrauber von einem deutschen Schiff aufgestiegen, ohne sich erkennen zu geben. Die Flugzeuge hätten den Fehler erkannt, den Helikopter nicht angegriffen und seien zur Basis zurückgekehrt.
Aus deutscher Sicht besteht allerdings kein Zusammenhang zwischen dem Hubschrauber und dem Vorfall bei der »Alster«. Der Helikopter sei 70 Kilometer von der »Alster« entfernt gewesen. Das deutsche Schiff habe sich in internationalen Gewässern befunden und gehöre nicht zum UN-Flottenverband vor der Küste des Libanon.
Die »Alster« ist ein unbewaffnetes Ortungsschiff, das zur Informationsgewinnung in Krisengebieten eingesetzt wird. Raabe betonte, das Schiff sei von den F-16 nicht direkt beschossen worden. »Wir haben keinen Grund davon auszugehen, dass es ein Angriff war.«
Jung habe mit seinem israelischen Amtskollegen über den Vorfall gesprochen. Er sei zuversichtlich, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholen werde. Zudem äußerte der Sprecher Verständnis für die Sicherheitsbedürfnisse Israels.

Artikel vom 28.10.2006