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»Verscharrt wie einen Hund«

Strafsache »Olaf Ortkraß«: Krankenschwester Waltraud Karp klagt erneut an

Von Wolfgang Wotke
Gütersloh (WB). Sie ist fassungslos, schüttelt immer wieder ihren Kopf und hält minutenlang inne. Mehrmals liest Krankenschwester Waltraud Karp aus Gütersloh das Schreiben des Landgerichts Bielefeld. Darin steht: »Ihr Erscheinen zum anberaumten Termin in der Strafsache gegen Olaf Ortkraß ist nicht erforderlich.«

Heute (9 Uhr, Saal 18) beginnt der zweite Prozesstag gegen den Gütersloher Ex-Anwalt und Berufsbetreuer Olaf Ortkraß vor der IX. Strafkammer des Bielefelder Landgerichts wegen Untreue (wir berichteten). Nachdem sich Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidigung bereits auf ein Höchst-Strafmaß im Vorfeld geeinigt haben (nicht mehr als sechs Jahre Gefängnis, vorausgesetzt der Angeklagte ist voll geständig), sollen jetzt auch keine Zeugen mehr gehört werden. Ursprünglich hatte der Vorsitzende Richter Reinhold Hülsmann 44 Zeugen geladen, die mittlerweile angeschrieben wurden: »Sie brauchen nicht mehr zu erscheinen.«
Für Waltraud Karp und einige andere Geschädigte ein Skandal. Die 47-jährige Krankenschwester mit eigenem Pflegedienst (»Die Karbolmäuse«), die den Fall Ortkraß mit ins Rollen gebracht hatte, sieht in dem jetzigem Procedere der Justiz eine »große Kungelei«. Karp über Olaf Ortkraß: »Der hat seine Betreuten gedemütigt, eingeschüchtert, geschlagen und auf's Übelste betrogen. Für mich haben die Kontrollorgane gemeinsame Sache mit ihm gemacht. Deshalb glaube ich nicht mehr an eine Gerechtigkeit. Einige Zeugen hätten ihn noch mehr belastet. Aber die will man ja nicht mehr hören.«
Am 19. September verstarb Betreuungsopfer Reinhold Sandforth im Alter von 69 Jahren an den Folgen eines schweren Oberschenkelhalsbruches. Er erhielt ein Armenbegräbnis. Seine Urne wurde unter einer anonymen Rasenfläche des Avenwedder Friedhofes beigesetzt. Ortkraß hatte ihn zuvor um ein beträchtliches Vermögen (rund 59 000 Euro) gebracht. Waltraud Karp kannte Sandforth und klagt erneut an: »Ihn hat man ausgenommen wie eine Weihnachtsgans und dann verscharrt wie einen Hund.« Der Verstorbene habe ihr oft erzählt, dass sein Betreuer ein Soziopath gewesen sei. Über der Tischplatte soll er nett und freundlich gewesen sein, unter dem Tisch habe er ihm immer gegen das »Schienbein getreten«. Waltraud Karp: »Reinhold Sandforth hatte nach Begegnungen mit Olaf Ortkraß stets vor Wut und Ohnmacht Schaum vor dem Mund. Wir mussten ihn dann oft beruhigen.« Sechs Jahre als Höchststrafe sind für Waltraud Karp viel zu wenig. Die Geschädigten bekämen auch ihr Geld nicht mehr zurück. Und irgendwann, so Karp, sei Ortkraß bestimmt Freigänger.
Für heute kündigte Verteidiger Rainer Pielsticker weitere Beweisanträge an. Dann sollen die Plädoyers und vielleicht das Urteil folgen.

Artikel vom 27.10.2006