27.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

A-Hörnchen ist
zahnlos und 74
Gramm schwer

Kornfelds besondere Kinderstube

Von Markus Poch (Text und Fotos)
Brackwede (WB). Ihre eigenen Kinder sind längst flügge, und doch haben Renate Kornfeld (55) und ihr Mann Manfred (67) permanent Nachwuchs: Das Brackweder Ehepaar wildert regelmäßig junge Eichhörnchen aus. Gerade sind wieder zwei Exemplare bei ihnen eingezogen. Vier bis acht Wochen - je nach körperlicher Entwicklung - bleiben sie in der großen Garten-Voliere, ehe sie aufs freie Füßchen kommen.

Ende August wurden sie geboren und sind noch lange nicht erwachsen. A-Hörnchen, so nennt Renate Kornfeld das junge Weibchen, war am vergangenen Wochenende zu ihnen gebracht worden. Passanten hatten es mitten im Jahnplatztunnel entdeckt, wo natürlich keinerlei Überlebenschancen bestanden. Nach einigen Tagen der Intensivpflege beim Schildescher Tierarzt Ulrich Roose ist es jetzt »über den Berg«, 74 Gramm schwer und ganz schön zappelig. Beißen oder zwicken würde es vielleicht gerne, doch das Baby hat noch keine Zähne. »Auch seine Krallen sind noch kaum ausgebildet, deshalb rutscht es oft von den Ästen ab«, sagt Hörnchen-Mutter Kornfeld.
B-Hörnchen kam erst vor zwei Tagen ins Haus. Obwohl gleich alt, wiegt es schon doppelt so viel. »Es ist fast so dick wie ein Hamster und müsste eigentlich zu den Weight-Watchers«, sagt Renate Kornfeld schmunzelnd. Eine ältere Dame aus Porta Westfalica hatte das junge Männchen elternlos in der Stadt aufgelesen, es mit reichlich Futter und viel Fantasie in ihrer Wohnung betreut: »Um den Kleinen ans Klettern zu kriegen«, erklärt Renate Kornfeld, »verkleidete sich die Frau als Baumstamm. Sie wickelte sich in Decken ein, so dass das Hörnchen an ihr rauf und runterflitzen konnte...« Dem Bewegungsdrang eines juvenilen Eichhörnchens hält allerdings keine menschliche Wohnung auf Dauer stand, und so nahm die Frau mit dem Ehepaar Kornfeld Kontakt auf. Das ist in der Branche inzwischen bekannt, half es doch in den vergangenen Jahren schon 20 verwaisten Eichhörnchen bei der Rückkehr in den angestammten Lebensraum.
Damit das gelingt, gibt es täglich einmal je ein Schälchen Trinkwasser und frisches Weichfutter. Das kann ein vitaminreicher Babybrei sein, das können Apfelstückchen sein, Walnusskrümel, helle Sonnenblumenkerne oder auch mal einige Blätter Salat. Außerdem gehört immer frisches Stroh in die Kuschel- und Schlafecken.
Sind die Kornfelds verreist, übernimmt ihr Mieter, der 53-jährige Bernd Otta, die Versorgung der Nager. Weil Otta als Rollstuhlfahrer im Garten nicht so beweglich ist, verfolgt er die Aktivitäten seiner buschigen Freunde vom Wohnzimmer aus über Kontrollkameras in der Voliere. Den Futter-Nachschub erledigt er durch ein Versorgungsrohr, in dem ihn die Tierchen oft schon erwarten.
Zeit zur Trennung ist immer dann, »wenn Eichhörnchen eine Haselnuss selbst aufbeißen können«, erklärt Otta. »Dann öffnen wir die Voliere am oberen Ende, und die Tiere sind frei. Wir geben ihnen aber weiterhin Futter und Stroh, so dass sie nicht sofort auf sich alleine angewiesen sind.«

Artikel vom 27.10.2006