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Zwischen Party und Bügelbrett

Die 22-jährige Scholastica Njagi aus Kenia arbeitet als Au-pair-Mädchen

Von Antje Kreft (Text und Foto)
Borgholzhausen (WB). Scholastica Njagi genießt die letzten warmen Sonnenstrahlen. Vor dem Winter graut es ihr schon, denn die 22-Jährige friert schnell. Als Kenianerin ist sie höhere Temperaturen gewohnt. Seit zehn Monaten wohnt sie in Borgholzhausen bei Familie Gerke - als Au-pair-Mädchen.

Dort erledigt sie leichte Arbeiten im Haushalt - von Waschen über Abspülen bis Staubsaugen - und kümmert sich liebevoll um die fünfjährige Katharina und die zweijährige Johanna. Nicht zu vergessen die Mischlingshunde Charly und Paula und Kater Mozart. »Scholastica ist unser drittes afrikanisches Au-pair-Mädchen. Uns war wichtig, dass sie Englisch spricht, damit unsere Töchter schon früh ein Gefühl für die englische Sprache bekommen. So wachsen sie in gewisser Weise zweisprachig auf«, erklärt Jörn Gerke. Gefunden haben der Kaufmann und seine Frau Claudia Gerke-Plath, die als Lehrerin arbeitet, ihr Au-Pair-Mädchen über die Bad Tölzer Agentur ESAP (English Speaking Au Pair Agency). Dort werden ausschließlich englischsprachige Au-pairs aus Simbabwe und Kenia vermittelt.
Dass sich Scholastica für ein Jahr in Deutschland entschieden hat, war fast Zufall. »Eine Freudin von mir war als Au-pair in Deutschland und hat anschließend die ESAP-Agentur in Kenia aufgemacht. So kam ich auf die Idee. Ich war noch nie vorher in Deutschland. Das Land hat mich einfach interessiert, weil ich viel Positives gehört und gelesen hatte«, erinnert sich die 22-Jährige. Um sich verständigen zu können, hat sie sechs Monate vor der Abreise einen Deutsch-Kurs am Goethe-Institut Nairobi begonnen. In den ersten sechs Monaten in Detuschland hat sie einen weiteren Deutsch-Kurs besucht, seither lernt sie die deutsche Sprache im Alltag.
Langweilig ist Scholastica Njagi in Deutschland noch nicht geworden: Neben Borgholzhausen hat sie auch größere Städte erkundet, darunter Berlin, Köln, Düsseldorf, Hannover und Osnabrück. Am Wochenende macht sie regelmäßig mit Freunden die Bielefelder Diskotheken unsicher. Aufgewachsen ist die junge Frau in Meru, einem kleinen Dorf etwa 350 Kilometer von Kenias Hauptstadt Nairobi entfernt. Mit einem ihrer Brüder, einem von zehn Geschwistern, ist sie mittlerweile in die 2,7 Millionen Einwohner-Metropole Nairobi gezogen. Eine Ausbildung hat sie nach ihrem Schulabschluss vor vier Jahren nicht gemacht. »Es ist schwer, in Kenia Arbeit zu finden«. Seither hat sie sich ihr Geld mit Frisuren verdient.
Eines ihrer liebsten Hobbys ist das Bügeln. »Dabei kann ich mich entspannen«, sagt sie. »Uns kommt das nicht ungelegen«, freut sich Gastmutter Claudia Gerke-Plath.

Artikel vom 24.10.2006