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Endlich Recht für verletzten Lokführer

Oberlandesgericht bestätigt Urteil: Gutachter sieht keine Mitschuld am schweren Unfall

Von Klaus-Peter Schillig
Halle (WB). Das Ende eines langen und kräftezehrenden Rechtsstreits ist in Sicht: Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat gestern das Urteil der Bielefelder Kollegen zugunsten des Lokführers Jürgen Gewandt bestätigt. Der 45-Jährige hatte am 7. November 2002 den »Haller Willem» gesteuert, als der in Halle mit einem Schwertransporter kollidierte.

Das Landgericht Bielefeld hatte dem dreifachen Familienvater im November 2005 Schmerzensgeld in Höhe von 75 000 Euro sowie Entschädigung für alle entstehenden finanziellen Einbußen, also auch für Verdienstausfall, zugestanden. Die Versicherung des Paderborner Transportunternehmens, die KRAVAG, legte allerdings Berufung ein, weil sie dem Lokführer eine Mitschuld an dem Unfall nachweisen wollte. Ein Drittel der Verantwortung sollte nach Ansicht der Versicherung dem Lokführer angelastet werden, weil der zu spät gebremst habe.
Der angesehene Unfall-Sachverständige Professor Diplom-Ingenieur Karl-Heinz Schimmelpfennig aus Münster aber nahm den Bemühungen der Versicherung die Luft aus den Segeln. Der vom 13. Senat des OLG beauftragte Experte machte auch in der mündlichen Erläuterung zu seinem Gutachten deutlich, dass eine verspätete Reaktion des Lokführers nicht nachweisbar sei. Im Gegenteil: Er habe sogar optimal reagiert, denn am Morgen des 7. November herrschte trübes Dauerregen-Wetter, als der Schwertransport mit seinen tonnenschweren Betonteilen am Bahnübergang Holtfelder Straße quer auf den Schienen stand. Jürgen Gewandt habe reagiert, als das Hindernis gerade erkennbar war, machte Professor Schimmelpfennig vor dem OLG deutlich.
Der 13. Senat zog sich nach dem Gutachter-Vortrag und einer rechtlichen Erörterung zu einer halbstündigen Beratung zurück, kehrte dann mit der Empfehlung an den Anwalt der Versicherung in die Verhandlung zurück, man solle doch die Berufung lieber zurückziehen. Auch die Hammer Richter teilten schon zu diesem Zeitpunkt ganz eindeutig die Auffassung ihres Bielefelder Kollegen, dass ein grobes Verschulden des Lkw-Fahrers vorgelegen hat. Im späteren Urteil wurde die Berufung deshalb zurückgewiesen und auch eine Revision beim Bundesgerichtshof nicht zugelassen.
Jürgen Gewandt war auch in Hamm selbst vor Ort. Der seit dem Unfall in den vorzeitigen Ruhestand versetzte Lokführer berichtete über Spätfolgen des Unfalls neben den körperlichen Folgeschäden. Er hatte ja lebensgefährliche Verletzungen im Bauchbereich erlitten, außerdem musste damals noch an der Unfallstelle sein Vorderfuß amputiert werden. Nach wie vor aber findet der 45-Jährige nachts keinen Schlaf, was kürzlich auch in einem Schlaflabor nachgewiesen wurde. Die Tiefschlafphase fehlt, was sich tagsüber in häufigen Kopfschmerzen und Konzentrationsschwächen ausdrückt. Sein Rechtsanwalt Jürgen Neumann-Domnick konnte ihm nach der eindeutigen Aussage des Gutachters aber mit auf den Weg geben, dass er sich nun wirklich keine Vorwürfe mehr machen müsse, vielleicht eine Mitschuld an dem Unfall zu tragen.

Artikel vom 24.10.2006