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»Das ganze Viertel versumpft«

Am Ostmannturm: Anwohner klagen über Drogenszene, Müll und Ratten

Von Jens Heinze und
Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). Drogenprostitution, eine offene Rauschgiftszene mit Handel und Konsum, Müll und Ratten - die Anwohner des Viertels rund um den Ostmannturm wollen nicht länger schweigen. Sie werfen Polizei und Stadtverwaltung weitgehende Untätigkeit vor.

»Abends um20 Uhr traut man sich nicht mehr auf die Straße. Das ganze Viertel versumpft«, sagt eine 62-jährige Rentnerin aus dem Wohngebiet zwischen Stadthalle und Pauluskirche. Erst seien die Anwohner für die Sanierung des Viertels von Mitte der 70-er bis Mitte der 90-er Jahre zur Kasse gebeten worden. Jetzt ginge es Jahr für Jahr weiter bergab, fügt ein gleichfalls betroffenes Ehepaar (beide 68 Jahre alt) hinzu.
Die Klagen sind vielfältig, großer Frust hat sich rund um den Ostmannturm aufgestaut. Die Vorwürfe reichen von Falschparkern im Viertel während Großveranstaltungen in der Stadthalle, gegen die die Stadt nicht vorgeht, bis zu Müll- und Essensresten von Schnellimbiss-Stuben aus der Umgebung, die die Ratten ans Tageslicht locken. Vor allem werfen die Anlieger den Verantwortlichen im Rathaus und bei der Polizei aber ein zu lasches Vorgehen gegen die Drogenszene vor.
Ein Betroffener wohnt direkt neben solch einem Treffpunkt der Szene an der Brandenburger Straße. »Vom Balkon aus kann man den Drogenprostituierten und Junkies bei ihrem Treiben zugucken«, beschreibt der 68-Jährige das fast tägliche Geschehen auf einem Kinderspielplatz. Wer dort und ein paar Meter weiter in die Büsche schaut, der sieht Reste von Spritzenverpackungen sowie Silberpapier, in dem Rauschgift eingewickelt worden war.
Trauriger Höhepunkt dieses Jahres war ein Drogentoter im städtischen Grün. Der 68-Jährige und seine Frau hatten den 43-Jährigen am Mittag des 29. September im Gebüsch des Fußweges zwischen Brandenburger- und Paulusstraße gefunden (das WESTFALEN-BLATT berichtete). Als Nachbarn am Nachmittag des selben Tages diesen Fußweg entlang gingen, fand der nächste Einsatz von Polizei und Rettungskräften statt. Die zweite Person, die aus dem kleinen Grünzug geholt worden war, soll überlebt haben.
Wer sich im Viertel rund um den Ostmannturm in die andere Richtung gen Stadthalle wendet, der ist vor unliebsamen Überraschungen ebenfalls nicht sicher. »Wenn ich zur Post gehe und einen Brief wegbringe, werde ich auf der kurzen Strecke bis zu drei Mal von Drogenprostituierten angemacht«, fasst ein empörter Anwohner seine Erfahrungen zusammen. Und etwas weiter, am Hotel gegenüber dem Hauptbahnhof, habe die Szene die Rückwand des Hauses durch ständiges Urinieren in eine öffentliche Kloake verwandelt. »Wer mit dem Zug nach Bielefeld kommt und das alles sieht, der fragt mich doch, wo lebt ihr denn hier?«, meint die 62-jährige Rentnerin zu den Zuständen.
Um die zu beenden, wünschen sich die Anwohner ein konsequentes Durchgreifen von Polizei und Stadtverwaltung: »Unsere Enkel sollen wieder auf den Spielplätzen im Viertel toben können.«

Artikel vom 18.10.2006