17.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Impfkampagnen, Ernährungsicherung und Kleinkredite erzielen die nachhaltigsten Erfolge.«

Leitartikel
Welternährungstag

Die Lösung liegt an der Graswurzel


Von Reinhard Brockmann
Der dramatischste Paukenschlag zum gestrigen Welternährungstag kam jüngst aus Nordkorea: Das Volk hungert, ein verbrecherischer Staatsmann spielt mit der Bombe, und das entsetzte Ausland muss hilflos zusehen.
Immerhin, die große Mehrzahl der von Hunger, Armut und Krankheiten geplagten Länder lässt sich helfen, aber nicht unbedingt reinreden. Außerdem: Die Zahl der Hungernden von mehr als 800 bis 850 Millionen Menschen ist seit mehr als 20 Jahren konstant. Allein das ist - nicht nur statistisch gesehen - schon ein Erfolg, denn die Bevölkerung hat vor allem in den Entwicklungsländern erheblich zugenommen. Die Hauptursachen des Hungers sind leidlich bekannt: bittere Armut, Missachtung der traditionellen Landwirtschaft durch korrupte Regierungen sowie Kriege und Dauer-Bürgerkriege in vielen Hungerländern.
Längst haben die Hilfsorganisationen, besser als westliche Regierungen und Ministerien, festgestellt, dass der Schlüssel zum Erfolg in den unspektakulären, an den Graswurzeln orientierten Projekten steckt: traditioneller Ackerbau und Viehzucht, medizinische Grundversorgung sowie Lesen und Schreiben.
Mit ihrem internationalen Namen »German Agro Action« signalisiert beispielsweise die »Deutsche Welthungerhilfe« im Ausland sehr viel klarer, wie sich Hunger bekämpfen lässt. Der deutsche Titel ist bestens geeignet fürs Spendensammeln. Die echten Erfolge in den Hungerländern aber erzielen Landwirtschaftsexperten, Veterinäre, Ärzte (ohne Grenzen) und (SOS-)Kinderdörfer, die wie Sozialstationen Gutes für ganze Elendsviertel leisten. Auch »World Vision« setzt nicht allein auf Patenschaften für Dritte-Welt-Babys und »Misereor«/»Brot für die Welt« spenden nicht allein den christlichen Segen: Alle wirken jenseits der spektakulären Bilder von Tsunamis und Erdbeben.
Mit Projekten zur Ernährungssicherung, Impfkampagnen und Kleinkrediten erzielen sie die nachhaltigsten Erfolge. Konkrete Verbesserungen im Kleinen sind es, die im Zusammenwirken mit den großen Instrumenten der Vereinten Nationen, wie Unicef, FAO und Welternährungsprogramm, die sogenannten »Milleniumsziele« bis 2015 tatsächlich erreichbar erscheinen lassen.
Gestern wiesen die Profis von der Hungerfront wiederholt - und wiederum gern überhört - darauf hin, dass auch die anderen Rahmenbedingungen stimmen müssen. Ohne faire Handelsbeziehungen, weniger Protektionismus und Verzichtsbereitschaft in den reichen Ländern wäre alle Müh' vergeblich.
Keine Frage, auch die betroffenen Länder selbst müssen ihren Beitrag leisten. Mit sanftem Druck werden mancherorts die Männer stärker zur Verantwortung gezogen, lokale Chiefs um Privilegien gebracht sowie Frauen und Mädchen bessere Chancen eröffnet.
Vor allem Bildung hat sich als Waffe gegen Hunger und Krankheit bewährt. Das ist die Botschaft des Welternährungstages: Es gibt Wege aus dem Elend.

Artikel vom 17.10.2006