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»Commis« wagte die Selbständigkeit

100 Jahre Pagenberg Heepen: Von der Manufakturwarenhandlung zum Modespezialisten

Von Elke Wemhöner
Heepen (WB). Von der Textil-Manufakturwarenhandlung zum Spezialisten für flotte Damenoberbekleidung - so lässt sich die hundertjährige Entwicklung der Firma Pagenberg beschreiben. Das Jubiläum wird in diesem Monat begangen: mit einem großen Sonderverkauf und einer Feier im Muschelsaal. Hans-Peter und Sonja Pagenberg bieten ihren Gästen dort - es liegt nahe - eine Modenschau.

»Erwarten Sie Besonderes von uns« hieß es in der Eröffnungsanzeige im Oktober 1906. Aus heutiger Sicht ein durch und durch moderner Slogan, den Wilhelm Pagenberg damals wählte. 31 Jahre zählte der gebürtige Burgsteinfurter damals, und kannte bereits den Heeper »Markt«, denn er hatte als »Commis« (Handlungsgehilfe) im Textilhaus Letmade in Heepen gearbeitet. Dessen Inhaber war ein Bruder des gleichnamigen Textilkaufmannes Letmade in Schildesche. Im Haus Eckendorfer Straße 125 (heute Salzufler Straße 2) eröffnete Wilhelm Pagenberg seine Manufakturenwarenhandlung. Und sein Kundenkreis wuchs rasch, wie das dicke Hauptbuch beweist.
Hans-Peter Pagenberg, der Enkel des Gründers, findet beim Blättern darin viel Interessantes. So sind die Kunden überwiegend mit Berufs- oder Standesbezeichnung aufgeführt. In gestochen scharfer Schrift sind die Verkäufe aufgeführt. Und obendrein verfügt das Buch über ein Namenregister, das hinter dem jeweiligen Kundennamen säuberlich alle Seiten aufführt, auf denen die Einnahmen vermerkt sind. Im Hauptbuch wird auch deutlich, dass Pagenberg bereits Wochen vor der offiziellen Eröffnung als Händler tätig war.
Das Hauptbuch beweist auch, dass das Geschäft ein großes Einzugsgebiet hatte: die Kunden kamen aus den Nachbargemeinden rund um Heepen. Die Sonntagsöffnung war damals üblich. Nach dem Kirchgang ging es zum Einkaufen oder in die Wirtschaft. Hans-Peter Pagenberg erinnert sich an Erzählungen im Familienkreis: Während die Ehefrauen Kurzwaren oder Stoffe auswählten, konnte sich der Gatte (vielleicht ein Bauer oder Gutsbesitzer mit entsprechendem Landbesitz) im Kontor von Wilhelm Pagenberg mit einem Schnaps stärken.
Wilhelm Pagenberg muss ein ausgeprägtes kaufmännisches Talent besessen haben und einen Blick für die Bedürfnisse seiner Kunden. Denn er schuf ein solides Fachgeschäft, dass beide Weltkriege überstand. Sohn Hans (Jahrgang 1910, seine Mutter Lina war eine geborene Mormann aus Insingdorf bei Melle) absolvierte die Oberrealschule, macht eine kaufmännische Lehre und sammelte Berufserfahrung, ehe er - mit 37 Jahren - das Textilhaus Pagenberg von seinem Vater übernahm.
In der Nachkriegszeit ging es mit der Firma weiter bergauf. Als der Platz im Stammhaus zu eng wurde, wurden die Bereiche Gardinen und Betten ausgelagert. Im Haus am Tieplatz wurde am 1. Mai 1969 der »heim-shop« eröffnet und das Geschäft im Stammhaus legte den Schwerpunkt auf die Damenoberbekleidung. Unter Hans-Peter Pagenberg, der als Vertreter der dritten Generation die Firma im Januar 1976 übernahm, wurde die Damenmode weiter ausgebaut. Bereits drei Jahre später eröffnet er an der Salzufler Straße 8, vis-à-vis des Amtsgebäudes, die »Pagenberg Moden«.
Auch Hans-Peter Pagenberg hat sein Metier von der Pike auf gelernt, im Modehaus Pott in Schötmar - wie sein Vater. Nach der Textilfachschule in Neumünster erweiterte er im fernen Neuötting (Bayern) sein Praxiswissen. Aber Anfang der 70er Jahre las er in den Briefen seiner Mutter Grete Pagenberg, geborene Diekhöner, zwischen den Zeilen, dass er in Heepen gebraucht wurde. Und auch er hat - wie sein Großvater - die Zukunft im Blick.
Das schlägt sich nicht nur in der Konzentration auf die Damenmode und die Ausrichtung der beiden Geschäfte »Pagenberg sportiv« und »Trend« nieder. Der heute 63-jährige war Mitbegründer jener Vereinigung, die heute als Interessen- und Werbegemeinschaft bekannt ist und viel zur Steigerung der Attraktivität Heepens und seines Ortskerns bewegt. Zehn Jahre war Pagenberg zudem ihr engagierter Vorsitzender.
Am Montag starten Sonja und Hans-Peter Pagenberg mit ihrem siebenköpfigen Team im Verkauf den zweiwöchigem Jubiläumsverkauf. Um 7 Uhr werde Montag geöffnet, berichtet Pagenberg und erzählt lachend, dass zum 75-jährigen die Kunden bereits ab 6 Uhr vor der Ladentüre gewartet hätten. Er ist gespannt, ob sich das wiederholt.

Artikel vom 14.10.2006