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Nobelpreis
für Pamuk
findet Beifall

Türkischer Autor ausgezeichnet

Stockholm (dpa). Als erster türkischer Schriftsteller hat Orhan Pamuk den Nobelpreis für Literatur erhalten. Die Schwedische Akademie begründete ihre Entscheidung gestern damit, dass Pamuk »neue Sinnbilder für Streit und Verflechtung der Kulturen gefunden« habe.
Große Ehre: neuer Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk.Foto: dpa

Der 54-Jährige Pamuk gilt als Verfechter einer EU-Integration der Türkei, in seiner Heimat ist er politischen Anfeindungen ausgesetzt. Der Nobelpreis für den in Istanbul lebenden Mittler zwischen Orient und Okzident stieß auch in Deutschland auf große Zustimmung. Im vergangenen Jahr wurde Pamuk schon mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Pamuk erreichte die Nachricht von seiner Auszeichnung am frühen Morgen in New York. »Das ist so eine große Ehre«, freute sich der Autor. Möglicherweise feindselige Reaktionen in seiner Heimat bereiteten ihm allerdings Sorgen: »Unglücklicherweise macht die Tatsache, dass ich als erster Türke den Nobelpreis erhalte, die Sache ganz besonders und politisch«, sagte Pamuk in einem Interview für die Nobelpreis-Homepage. »Das könnte zu einer weiteren Belastung werden.« Für ihn ist die Auszeichnung auch ein Zeichen gegen die Theorie vom »Zusammenprall der Kulturen«. »Meine Arbeit ist der beste Beweis, wie fruchtbar ein Mix von Kulturen sein kann.«
Die Schwedische Akademie hob in ihrer Begründung auch Pamuks Rolle als »Gesellschaftskritiker« in seinem Heimatland heraus. So habe er als erster Autor der muslimischen Welt die Fatwa gegen seinen Kollegen Salman Rushdie öffentlich verurteilt. Pamuk habe auch für Yasar Kemal Stellung genommen, als der kurdisch-türkische Autor 1995 vor Gericht gestellt worden war. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bezeichnete Pamuk als »Symbol für den Wunsch großer Teile der türkischen Gesellschaft, in Europa anzukommen«.
Seine Werke wurden bislang in mehr als 30 Sprachen übersetzt und in über 100 Ländern veröffentlicht. In deutscher Übersetzung sind seit 1990 insgesamt sechs Werke erschienen.
Der Schriftsteller lebt in seiner Geburtsstadt Istanbul am Bosporus, der geographischen Schnittstelle zwischen Europa und Asien. Im Spannungsfeld zwischen Orient und Okzident spielen auch die meisten seiner historischen Romane. Zu den bekanntesten Werken zählen »Die Weiße Festung«, »Rot ist mein Name« und »Schnee«.
Der Berliner Turkologe Michael Hess nannte Pamuk den bedeutendsten Autor der türkischen Gegenwartsliteratur. »Er gräbt in den Werken westlicher Autoren, wie Dante, Goethe oder Kafka, und verbindet diese mit Zitaten aus dem Orient«, betonte Hess. »Pamuk hat wirklich die viel beschworene Brücke zwischen zwei Welten geschaffen.«
In seiner Heimat sieht sich Pamuk politischen Anfeindungen nationalistischer Kreise ausgesetzt. Wegen »Herabwürdigung des Türkentums« wurde der Autor vor Gericht gestellt.
König Carl XVI. Gustaf wird die Auszeichnung am 10. Dezember in Stockholm überreichen.

Artikel vom 13.10.2006