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Herforder errichteten die Siegessäule

Baukolonne reiste 1872 nach Berlin - »Goldelse« ein Detmolder Mädchen

Von Bernd Bexte
Herford (WB). Sie gehört zu Berlin wie das Brandenburger Tor und der Alexanderplatz. Aber ein bisschen ist sie auch ein Bauwerk aus OWL. Schließlich haben Arbeiter aus Herford einst die Siegessäule erbaut, und die goldene Victoria ist ein Mädchen aus Detmold.

Anno 1872 machten sich Arbeiter der Baufirma Meyer & Kopp von Herford aus auf den Weg in die Hauptstadt. Mitinhaber und Architekt Wilhelm Hindermann hatte den Weg nach Berlin geebnet. Oberhofbaurat Heinrich Strack, der die ersten Pläne zur Siegessäule entworfen hatte, war Hindermann durch die gemeinsame Studienzeit an der Berliner Bauakademie bekannt.
Bereits nach den preußischen Siegen gegen Dänemark (1864) und Österreich (1866) war 1865 bzw. 1869 der Grundstein zu einer Siegessäule gelegt worden. Der zunächst als Gedenkhalle geplante Bau wurde jedoch nicht weitergeführt. Erst nach dem siegreichen Krieg gegen Frankreich (1870/71) kam es am 31. Dezember 1871 zu einer erneuten Grundsteinlegung. Auf dem quadratischen Unterbau aus dunkelrotem, poliertem schlesischen Granit errichteten die Herforder einen imposanten, 20,4 Meter hohen Säulenschaft. Den weißgrauen Oberkirchner Sandstein holte die Firma aus ihren eigenen Steinbrüchen in Schaumburg-Lippe an die Spree.
Am 2. September 1873 war es dann soweit: Pünktlich zum dritten Jahrestag der Schlacht von Sedan wurde die Siegessäule auf dem Berliner Königsplatz, heute Platz der Republik, enthüllt. Die Herforder Unternehmer Heinrich Meyer und Friedrich Kopp waren mit ihren Frauen als Ehrengäste geladen.
Das Berliner »Abenteuer« beflügelte den Aufstieg der Firma Meyer & Kopp, die unter anderem auch das Denkmal an der Düppeler Schanze oder den Eisenbahn-Viadukt in Schildesche gebaut hatte. Seit dem Bau der Siegessäule unterhielten die Herforder ein »Ziegelbureau« in der Hauptstadt, 1878 verlegten sie den Firmensitz komplett an die Spree. Eine ökonomisch richtige Entscheidung: Das Berlin der Gründerzeit entwickelte sich zur Weltstadt. Kopp gründete 1882 die Berliner Asphalt-Gesellschaft Kopp & Cie., die sich zu einer der größten Berliner Asphalt-Unternehmungen entwickelte.
Doch noch ein weiteres Mal sollte die Herforder Wertarbeit für Schlagzeilen sorgen. Die Siegessäule wurde 1938 vom Königsplatz an den Großen Stern versetzt. Denn das Denkmal preußischen Nationalismus' stand der von Hitlers Baumeister Albert Speer geplanten Nord-Süd-Achse im Weg. Der Abbau der Säule erwies sich jedoch als schwierig: »Diejenigen täuschten sich, die glaubten, die ganze Siegessäule würde bereits Ende Juli vom Königsplatz verschwunden sein. Bei ihrem Bau ist allerbeste Handwerksarbeit geliefert worden«, heißt es in einem Zeitungsbericht. Entsprechend mühsam war die Demontage des stabilen Wahrzeichens.
Dessen Krönung, die im Volksmund »Goldelse« genannte Siegesgöttin Victoria, stammt aus Detmold. Der Auftrag zur Gestaltung der vergoldeten Bronzefigur ging an den Detmolder Bildhauer Friedrich Drake. Für die Victoria stand ihm seine Tochter Margarete Modell. An der Antike orientiert wollte Drake sie eigentlich nackt darstellen, doch auf Geheiß des Kaisers musste sie bekleidet dargestellt werden.

Artikel vom 13.10.2006