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Führt das Handy zum Mörder?

Erneute Suche im Fall Frauke Liebs - »Aktenzeichen XY ungelöst« fahndet

Von Christian Althoff und
Wolfram Brucks (Fotos)
Paderborn (WB). Polizisten der Mordkommission Liebs haben am Freitag noch einmal das Waldstück in Lichtenau (Kreis Paderborn) durchsucht, in dem ein Jäger am Mittwochabend die Leiche von Frauke Liebs (21) entdeckt hatte.

Hundeführer Thomas Nolte aus Schloß Holte-Stukenbrock setzte seinen Leichenspürhund »Kalle« ein, um die letzten kleinen Knochen des skelettierten Opfers aufzuspüren, die am Donnerstag noch nicht gefunden worden waren. Mit einer Metallsonde suchte anschließend ein Kriminalbeamter die nähere Umgebung jener Kuhle ab, in der die 21-jährige Krankenpflegeschülerin gelegen hatte - vergeblich. »Wir hatten gehofft, das Handy des Opfers zu finden«, sagte Erste Polizeihauptkommissarin Irmgard Kurek. Denn das »Nokia 6230« ist ein Foto- und Videohandy, in dem Frauke Liebs während ihrer Gefangenschaft möglicherweise Bilder gespeichert hat, die der Kripo jetzt weiterhelfen könnten.
Wie berichtet, geht die Mordkommission davon aus, dass die aus Lübbecke stammende Frau am 20. Juni in Paderborn entführt worden ist und noch eine Woche gelebt hat, bevor sie offenbar umgebracht und in den Herbramer Wald gebracht worden war, acht Kilometer südöstlich von Paderborn. Mit dem Handy hatte die Frau nach ihrem Verschwinden fünf SMS verschickt und zwei Gespräche mit ihrem Bruder Frank (32) sowie mit ihrem Ex-Freund Chris (24) und ihrer Schwester Karen (19) geführt. Dabei soll sie abwesend und verwirrt gewirkt haben.
Alle Handykontakte nach dem 20. Juni hatten ihren Ursprung im Stadtgebiet Paderborn. Da sie sich zu unterschiedlichen Sendemasten zurückverfolgen ließen, nimmt die Kripo an, dass der Entführer mit Frauke Liebs unterwegs gewesen ist - möglicherweise immer im Schutz der Dunkelheit, denn bis heute hat sich kein Zeuge gemeldet, der die Frau nach ihrem Verschwinden gesehen hat. Auch fanden die Handykontakte immer nachts statt. Möglicherweise konnte Frauke Liebs ihr »Nokia 6230« nur dann benutzen, wenn der Täter mit ihr unterwegs war. Denn in einem unterirdischen Verließ, wie einem Keller, hat das Telefon möglicherweise keine Funkverbindung gehabt. Die Daten der Handy-Sendemasten werden jetzt noch einmal analysiert, um das Gebiet, in dem Frauke Liebs gefangengehalten wurde, möglichst eng einzugrenzen.
Beamte der Mordkommission suchten am Freitag die trauernden Eltern in ihrem Haus in Lübbecke auf und informierten sie über die derzeitigen Erkenntnisse und das weitere Vorgehen der Kripo. So wollen die Polizisten in den kommenden Tagen erneut Frauke Liebs' gesamten Freundes- und Bekanntenkreis befragen.
Das ZDF, das noch in der vergangenen Woche Aufnahmen im »Vermisstenfall Liebs« gedreht hatte, hat den Beitrag für »Aktenzeichen XY ungelöst« nicht gestrichen, sondern wird ihn in geänderter Form senden. »Wir werden voraussichtlich in unserer Sendung am 9. November mit entsprechenden Fragen der Mordkommission um Hinweise im Fall Liebs bitten«, sagte Fernseh-Autor Rüdiger Wellnitz am Freitag.

Artikel vom 07.10.2006