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Die Zapfen der Bielefelder Küstentannen sind wertvolles Saatgut. Um aus ihnen Samen zu gewinnen, werden sie nach der Ernte in einer Darre aufbereitet.

Küstentannen liefern wertvolles Saatgut

WESTFALEN-BLATT-Serie »Wald und Wild in Bielefeld« - Letzte Folge

Bielefeld (gge). Volker Brekenkamp ist als Abteilungsleiter Forsten beim Umweltbetrieb der Stadt Bielefeld für rund 1850 Hektar Stadt- und 300 Hektar Stadtwerke-Wald zuständig. Für das WESTFALEN-BLATT hat der 54-jährige Diplom-Forstingenieur und Leiter des Tierparks Olderdissen zusammen mit Diplom-Forstingenieur Herbert Linnemann die Geschichte des Bielefelder Stadtwaldes auch unter Berücksichtigung der Hege und Pflege des heimischen Wildes zur Serie »Wald und Wild in Bielefeld« aufgearbeitet.

Die Küstentannen sind 47 Jahre alt, bis zu 28 Meter hoch, kerzengerade gewachsen und haben lange, hochwertige Stämme. Genau das, was die Holzindustrie sucht. Die Stadt Bielefeld hat diesen bundesweit seltenen Waldbestand als Beitrag zur nachhaltigen Waldwirtschaft für künftige Generationen zertifizieren lassen: als »Ausgangsmaterial für die Gewinnung von forstlichem Vermehrungsgut«.
»Das ist«, sagt Volker Brekenkamp, »nur mit dem offiziellen Segen der Höheren Forstbehörde in Münster erlaubt.« Die schickte dafür einen Fachmann der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten (LÖBF) nach Bielefeld, der die Qualität der 0,3 Hektar Küstentannen in der Senne - zwischen Sennestadt und dem Kamm es Teutoburger Waldes - begutachtete.
»Herausragend, optimales Erscheinungsbild, feinastig, geradschaftig und keine Zwieselbildung« lautete sein Urteil. das Ergebnis: Die Aufnahme in das »Erntezulassungsregister der Bundesrepublik Deutschland« als derzeit einzigen Küstentannenbestand im Raum Bielefeld.
Wie Diplom-Forstingenieur Herbert Linnemann (39) als Betreuer des Projektes berichtet, ist der ehemals im Besitz der Firma Windel befindliche Waldbestand 1959 durch Pflanzung entstanden. Das Saatgut damals stammte aus Nordamerika, der Heimat der »Großen Küstentanne«. Heute ist das Saatgut dieser Bäume sehr gefragt, da mit der Neufassung des Forstvermehrungsgesetzes 2002 das Saatgut aus heimischen Wäldern stammen muss.
In Nordrhein-Westfalen sind derzeit nur sieben kleinere Bestände mit insgesamt 3,2 Hektar Fläche als Saatgutbestand ausgewiesen. Wobei nur zwei Bestände ausreichend Zapfen trugen, so dass sich eine Beerntung lohnt.
Waldeigentümer, die neu aufforsten wollen, dürfen dies laut Linnemann keineswegs nach Lust und Laune tun. Setzlinge aus den Alpen, dem Schwarzwald, Norddeutschland oder gar aus Übersee zu pflanzen, ist im Wald verboten. Das besagte Forstvermehrungsgesetz schreibt genau vor, welches Vermehrungsgut erzeugt, in Verkehr gebracht und ein- oder ausgeführt werden darf. Wichtig für den Waldbesitzer ist, dass er bei der Wahl des Vermehrungsgutes das geeignete Herkunftsgebiet angibt. Das heißt, es soll aus der gleichen Klimazone kommen.
Nachdem in Bielefeld die bürokratischen Hürden zur Anerkennung des Bestandes erfolgreich genommen sind, hat Herbert Linnemann jetzt erstmals die Zapfen der Bäume durch eine Zapfenpflücker-Kolonne ernten lassen. Die Zapfen, insgesamt 417 Kilogramm, werden anschließend in einer Darre weiter aufbereitet, um die Samen aus den Zapfen zu gewinnen. Voraussichtlich können daraus rund 15 Kilo reines Saatgut gewonnen und etwa 650 000 Pflanzen produziert werden. Erst nachfolgende Generationen werden wohl erfahren, wofür die Bäume, die aus dem Bielefelder Saatgut erwachsen, wohl um das Jahr 2100 gebraucht werden.

Artikel vom 17.10.2006