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Stasi-Affäre im noblen Hotel »Adlon«

Direktor Thomas Klippstein gibt auf - »Ich wollte meine Familie schützen«

Berlin (dpa). Die Adresse ist prominent: Unmittelbar am Brandenburger Tor liegt das noble Hotel Adlon. Hier residieren Staatsgäste und politische Prominenz. Pikant: Direktor Thomas Klippstein war Stasi-Zuträger. Am Freitag gab er sein Amt nach öffentlichem Druck auf.
Der Präsident der Kempinski- Hotelgruppe, Reto Wittwer, hat der Bitte Klippsteins um Entbindung von seinen Aufgaben entsprochen. Das teilte Klippstein am Freitag im Adlon mit. Damit zogen er und die Kempinski-Geschäftsführung die Konsequenz aus Berichten über eine frühere Stasi-Tätigkeit des 44-jährigen Rostockers.
Klippstein selbst bestätigte am Freitag erstmals seine Stasi-Mitarbeit. »Ich bedauere sehr, dass ich damals dem Druck nicht standgehalten habe und entschuldige mich«, sagte er. Konzernchef Wittwer sagte, er betrachte Klippsteins Rücktrittsentscheidung »als ehrenvoll«. Sie sei »unter sehr schwierigen, persönlichen Bedingungen getroffen« worden.
Klippstein war bis kurz vor der Wende im Empfangsbereich des Hotel Neptun in Warnemünde tätig und in dieser Position vom Staatssicherheitsdienst der DDR angeworben worden. Das Neptun war eines der bedeutendsten Hotels in der DDR und hatte häufig prominente Gäste aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Sport aus der Bundesrepublik, Westeuropa und den USA.
Nach Unterlagen der Birthler-Behörde hat Klippstein 1988 eine Verpflichtungserklärung zur Stasi-Mitarbeit unterschrieben. Er war unter dem Decknamen »Benjamin« geführt worden. Für ihn sei es in den Jahren 1988 und 1989 »für einen kurzen Zeitraum im Alter von 25 Jahren« darum gegangen, »meine Familie zu schützen, die zu diesem Zeitpunkt unter intensivster Beobachung der Stasi stand«. Die Ausbildung am Empfang im Hotel Neptun habe er begonnen, weil ihm - wegen der Selbstständigkeit seiner Eltern - »eine Weiterführung meiner Schulausbildung zum Abitur vom sozialistischen Regime untersagt wurde«.
Er habe keine Möglichkeit gesehen, sich dem System zu widersetzen. Die jetzige Bitte um sein Ausscheiden aus der Kempinski-Gruppe habe er zum Schutz seiner Familie und der Adlon-Mitarbeiter getroffen, sowie um Schaden vom Hotelunternehmen abzuwenden. In seiner Erklärung bittet Klippstein, »dass differenziert wird zwischen dem Fehler, den ein junger Mensch gemacht hat, und meiner Leistung und meiner Arbeit der vergangenen 17 Jahre«.
Das Adlon in Berlin leitete Klippstein seit April 2005. Der Kempinski-Gruppe gehörte der Top-Manager mehr als 13 Jahre an. Er war in leitenden Positionen im Grand Hotel Heiligendamm, im Taschenbergpalais in Dresden, im Ciragan Palace Hotel in Istanbul sowie im Gravenbruch bei Frankfurt beschäftigt.
Während Klippsteins Zeit im Adlon wurde das Fünf-Sterne-plus-Haus um 70 luxuriöse Zimmer erweitert. Außerdem wurden mehrere Sicherheitssuiten mit höchstem Standard eingebaut, um mehr Staatsgäste und prominente Stars für einen Aufenthalt im Adlon zu gewinnen. Während der Fußball-Weltmeisterschaft war das Adlon offizielles Hotel des Weltverbandes FIFA und damit Herberge für FIFA-Präsident Joseph Blatter und den OK-Präsidenten Franz Beckenbauer.

Artikel vom 30.09.2006