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Angst vor islamistischer Gewalt: Deutsche Oper streicht Mozart

Politiker kritisieren »Idomeneo«-Absetzung vor Beginn der Islam-Konferenz

Berlin (Reuters). Einen Tag vor der heute beginnenden Islamkonferenz der Bundesregierung hat die Absetzung einer Mozart-Oper in Berlin aus Angst vor islamistischer Gewalt heftige Kritik ausgelöst. Spitzenpolitiker von Union und SPD verurteilten gestern die Entscheidung der Deutschen Oper, Mozarts »Idomeneo« abzusetzen.
Kulturstaatsminister Bernd Neumann verurteilte die Entscheidung als »Selbstzensur«. Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte, wenn aus Angst vor islamistischer Gewalt Opern abgesetzt würden, sei die Freiheit der Kunst in Gefahr. Der Chef der CSU im Bundestag, Peter Ramsauer, warf der Deutschen Oper Feigheit vor. Dagegen begrüßte der Islamrat die Absetzung der Inszenierung. Vor der Islamkonferenz forderte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla von den in Deutschland lebenden Muslimen eine Absage an jegliche Gewalt.
Die Deutsche Oper hatte zuvor bekannt gegeben, sie habe die für November geplante Wiederaufnahme von Mozarts »Idomeneo« wegen unkalkulierbarer Sicherheitsrisiken vom Spielplan genommen. In der Inszenierung, die 2003 Premiere hatte, wird unter anderem der abgetrennte Kopf des muslimischen Religionsstifters Mohammed triumphierend gezeigt, ebenso wie Köpfe anderer religiöser Führer, darunter Jesus. Die Berliner Polizei bestätigte, dass sie vor einigen Wochen nach einem anonymen Hinweis die Gefährdungslage analysierte. »Wir haben mitgeteilt, dass Störungen im Zusammenhang mit der Aufführung in ihrer geplanten Form nicht ausgeschlossen werden können«, sagte ein Sprecher.
Die Intendantin der Deutschen Oper, Kirsten Harms, sagte, sie sei von Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) im August über einen anonymen Hinweis informiert worden. Mit »vorauseilendem Gehorsam« habe die Absetzung nicht zu tun. Sie habe sich als künstlerische Leiterin und Intendantin, die allein für den Spielplan verantwortlich ist, für Leib und Leben ihrer Mitarbeiter entschieden. Dies sei ein Abwägen zwischen künstlerischer Freiheit und Sicherheit gewesen, sagte Harms.
Die Sicherheitsbehörden seien vor allem wegen der Proteste, die Mohammed-Karikaturen in dänischen Zeitungen Anfang des Jahres in moslemischen Ländern ausgelöst hatten, zu dieser Bewertung gekommen.
Neumann kritisierte die Absetzung der Oper scharf: »Wenn die Sorge vor möglichen Protesten schon zur Selbstzensur führt, dann gerät die demokratische Kultur der freien Rede in Gefahr.« Kunst und Medien hätten die Aufgabe, Widersprüche und Gegensätze in einer Gesellschaft zu benennen.
Thierse lehnte es kategorisch ab, aus Angst vor Gewalt eine Oper abzusetzen. »Soweit ist es gekommen, dass die Freiheit der Kunst eingeschränkt wird«, sagte er.
Der Chef des Islamrats, Ali Kizilkaya, begrüßte die Absetzung dagegen, weil so Rücksicht auf die Gefühle der Muslime genommen werde. Er hätte sich gewünscht, dass das Werk aus »Sensibilitätsgründen« erst gar nicht aufgeführt worden wäre, sagte er.
Einen Tag vor der Islamkonferenz der Bundesregierung verlangte CDU-Generalsekretär Pofalla von den Muslimen in Deutschland ein Bekenntnis gegen Gewalt. Zu einem Grundkonsens gehöre »auch eine gemeinsame, unzweideutige und scharfe Ablehnung gegen jede Form der Gewalt.« Kommentar

Artikel vom 27.09.2006