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Unfassbares Attentat
wird zum Rührstück

Oliver Stone-Film »World Trade Center«


Fünf Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 kommt Oliver Stones mit Spannung erwarteter Film ins Kino, der mit großer Geste versucht, diesem Trauma gerecht zu werden. »World Trade Center« erzählt die wahre Geschichte der zwei New Yorker Polizisten John McLoughlin und Will Jimeno (Nicolas Cage und Michael Peno), die wie durch ein Wunder nach 15 Stunden lebend aus den Trümmern der Wolkenkratzer gerettet werden. Anders als Paul Greengrass mit »Flug 93«, der den Kampf der Passagiere im vierten gekaperten Flugzeug zeigt, verarbeitet Stone »9/11« zu großem Hollywood-Kino mit Happy-End.
Ausgerechnet der Vietnamveteran Stone, der mit Filmen wie »J.F.K.« und »Born On the Fourth of July« kritischen Geist bewies, hat ein eindimensionales, vor Patriotismus strotzendes Rührstück gedreht, das auch die Geschichte eines Grubenunglücks hätte erzählen können. Aus dem bis heute unfassbaren Anschlag, der fast 3000 Menschen in den Tod riss und die Welt veränderte, wird ein Event-Film.
Immerhin schafft es Stone handwerklich solide, das Leid der bangenden Angehörigen glaubhaft zu zeigen. Maria Bello und Maggie Gyllenhaal überzeugen als Ehefrauen, auch Cage und Peno, die die harten Kerle mit dem weichen Familienvater-Herzen spielen, ist kein Vorwurf zu machen. Ermüdend sind die Durchhaltedialoge der verschütteten, schwer verletzten Polizisten, das schmutzverschmierte Gesicht des schnauzbärtigen Cage in Großaufnahme, dazu erscheint seinem Kollegen auch noch die Vision eines Jesus mit einer Wasserflasche in der Hand. Dazu erlaubt sich Stone eine fragwürdige politische Botschaft: Eine zentrale Figur ist der Ex-Elitesoldat Carnes (Michael Shannon), der aus der Provinz anreist, um in New York nach Überlebenden zu suchen. Nachdem er noch zum Friseur geht, um sich einen martialischen Haarschnitt verpassen zu lassen, beginnt er seine Mission in den Trümmern und beschließt am Ende, sich wieder zu verpflichten, um sein Land zu rächen. Im Abspann werden dann seine Einsätze im Irak erwähnt. Das passt zum Irrglauben mancher Amerikaner, Saddam Hussein stecke in irgendeiner Form hinter den Anschlägen.

Artikel vom 28.09.2006